Anmerkungen zum Jahre 1755.
In der Französischen und in der Deutschen Ausgabe der hinterlassenen Werke Friedrich's giebt d'Alembert in seinem Briefe vom 23. Mai 1777 das Jahr 1756 als das seiner Anwesenheit in Wesel an, es ist dies aber bestimmt falsch.
2) Die Zeit, wann der König diese Reise nach Holland unternommen hat, ist von Vielen unrichtig angegeben. König, in seiner: Hist. Schilderung von Berlin Thl. 1. S. 145, und Seiffert in: Lebens- und Regierungsgeschichte Friedrich's II. Thl. 2. 170 setzen sie ins Jahr 1752. Nicolai in den Anecdoten I. 131 ins Jahr 1754, womit auch Friedrich's eigener Brief an Valori (Mem. du Marq. Valori II. 334) und Catt's Brief an de Laveaux, wie er in Zimmermann's Fragmenten I. 127 mitgetheilt wird, der jedoch in: de Leveaux La vie de Fr. II. Tom. VI. p. 371 das Jahr 1756 hat, zu stimmen scheinen. Diese Angaben sind jedoch alle falsch, und die Reise hat bestimmt 1755 Statt gehabt.
Die Angabe des Herausgebers der Schrift: Die Regierung Friedrich's d. Gr. Ein Lesebuch für Jedermann. Halle, 1790. Bd. 1. 319 u. 370, von zwei solchen Reisen, ist ebenfalls irrig. In diesem Buche werden zwei interessante Anecdoten erzählt, die wir hier mittheilen, ohne jedoch die Ächtheit verbürgen zu können.
Als der König - heißt es hier - in Amsterdam war, wollte er einen Banquier sprechen; er ging nach dessen Wohnung, fand ihn aber nicht zu Hause. Die Frau desselben, welcher der König sich nicht zu erkennen gab, sagte ihm, daß ihr Mann sehr bald zurückkommen werde, und wenn er wolle, so könnte er ihn in einem Zimmer, das sie ihm aufschließen wolle, erwarten. Der König nahm den Vorschlag an, und die Frau schloß ihm ihr Staatszimmer auf, ersuchte<284> ihn aber höflich, vor der Thür die Schuhe auszuziehen. Der König glaubte, durch wiederholtes Reinigen der Füße auf der vor der Thür befindlichen Fußdecke dieser Ceremonie zu entgehen, allein, es half ihm nichts, er mußte sich dem Verlangen der Frau unterwerfen. Nachdem er in das Heiligthum eingetreten war, verließ ihn die Frau. Bald nachher kam der Banquier, der unterdeß die Ankunft des Königs in Amsterdam erfahren hatte, zurück. Sein Erstaunen, den König in seinem Hause anzutreffen, war groß, noch größer aber sein Schreck, ihn ohne Schuhe zu finden. Er fiel ihm zu Füßen, und bat für seine Frau um Verzeihung. - Warum gaben sich Ew. Majestät nicht zu erkennen? - "Ich sollte mich zu erkennen geben?" sagte der König, "o, dafür habe ich mich wohl gehütet, denn der König von Preußen hätte mich sicher nicht von der kleinen Ceremonie befreit." Der König hatte Recht, denn als der Banquier seine Frau gerufen hatte, machte er ihr über ihr Benehmen Vorwürfe, und foderte sie auf, den König um Verzeihung zu bitten. Sie hatte aber dazu keine Lust, und meinte, ziehe sie doch selbst ihre Schuhe ab, wenn sie in dies Zimmer gehe, obgleich es ihr gehörte. - "Nun, sehn Sie wohl, mein Herr," sagte der König zum Banquier; - "ich wußte recht gut, daß ich nur durch meine Folgsamkeit und Beibehaltung des Incognito dem König von Preußen eine Beschimpfung ersparen würde."
Die andere Anecdote lautet wie folgt: Der König wünschte bei seinem Aufenthalt in Amsterdam eine Holländische Pastete zu essen, weil er von ihrer Vortrefflichkeit viel hatte rühmen hören, und trug seinem Begleiter, dem Oberst Balbi, auf, eine solche bei der Wirthin im Hause, wo sie wohnten, zu bestellen. Die Wirthin sah den Oberst Balbi auf dies Begehren vom Kopf bis auf die Füße mit einigem Befremden an, und sagte dann: "Wel, myn Herr, as yi wellen een Pasteet eeten, können yi oock betalen? - en weet yi, dat een Pasteet drittig Gulden kostet?" - Balbi versicherte der guten Frau, daß der Fremde, mit dem er in ihrem Hause wohne, dies sehr leicht bezahlen könne, denn er wäre ein Virtuose auf der Flöte 284-+, und wenn er sich nur<285> einige Stunden hören ließe, so brächte ihm dies eine Menge Geld ein. Die Wirthin erkundigte sich weiter, was denn ein Virtuose sei? Balbi erklärte ihr mit mehreren Umständen, der Fremde sei ein ganz ausgezeichneter Flötenspieler, der auf seine Kunst reise etc. "Wel, myn Herr," rief die Wirthin, "so mut ick en doch oock hören." Darauf ging sie sogleich in das Zimmer, wo sich der König befand, setzte beide Arme in die Seite, und sagte zu ihm: "As yi so schön pypen können, wellen yi my wol oock wat vorpypen?" Der König war darüber nicht wenig überrascht, als ihm aber Balbi auf Französisch mit wenig Worten sagte, was vorgegangen sei, ergriff der König die Flöte, und blies darauf einige Stücke so meisterhaft, daß die Wirthin, ganz bezaubert, nicht von der Stelle gehen wollte. Endlich, da der König die Flöte wieder weglegte, sagte sie zu ihm: "Wel, myn Herr, dat ist waar, yi können schön pypen, en wel en Batzen verdeenen, nu will ick yi ooch eene Pasteet macken."
Catt (Heinrich von), ein geborner Schweizer aus der kleinen Stadt Morges (Morsen) am Genfersee, ein Mann von vielem Geist und schönen Kentnissen. Seine Landsleute haben ihm die Vorliebe zu verdanken, die der König bis an sein Ende für sie bewies. Drei Monate nach jener auf der Holländischen Barke gemachten Bekanntschaft, erhielt von Catt einen Brief vom Könige, darin er ihm den Antrag machte, in die Dienste jenes Reisenden zu treten. Da jedoch von Catt eben erst von einer schweren Krankheit wieder aufgestanden war, so konnte er den Antrag nicht annehmen. Im Dezember des Jahres 1757 wiederholte der König seinen Antrag, der nun auch angenommen wurde. Anfangs des Jahres 1758, als der König in Breslau sich aufhielt, fand von Catt sich bei ihm ein. Nach einem sehr huldreichen Empfang fragte ihn der König, ob er ihn wohl wieder erkannt hätte? Nein, Sire, sagte Catt, in diesem veränderten Anzuge nicht, überdies hat auch Ihr Embonpoint abgenommen. Der König erwiederte: Das glaub ich wohl, bei der verdammten Le<286>bensart die ich führe. Die einundzwanzig Jahre, welche er in Friedrich's Diensten stand, behandelte ihn dieser stets mit besonderer Güte, Aufmerksamkeit und Theilnahme, nur zuletzt ward er durch vielfach sehr künstlich angelegte Kabalen kälter gegen ihn. Catt brachte in der Regel täglich einige Stunden bei dem Könige zu, und sie unterhielten sich über allerhand Materien mit einander, außerdem richtete der König mehrere Episteln und Briefe an ihn, theilte ihm auch öfter seine Gedichte und andere Aufsätze zur Beurtheilung und Verbesserung mit. (Hinterl. Werke, Ausg. v. 1789, Thl. XII. S. 128). Sonderbar ist der Umstand, daß Friedrich, der gern Unterricht ertheilte, dem Herrn von Catt Lection in der Kriegskunst geben wollte. So sehr er auch betheuerte, daß er davon gar nichts verstände, gar keinen Begriff davon habe, so war dies doch Alles vergebens. Thut weiter nichts, sagte der König, ich will Ihnen Begriffe davon beibringen. Während des siebenjährigen Krieges fragte er ihn zuweilen: Was würden Sie in meiner gegenwärtigen Lage wohl thun? Dort steht der Feind, ich hier, was werden Sie nun anfangen? und was ich? Was kann ich ihm wohl entgegensetzen etc.? Sire, erwiederte Herr v. Catt, ich verstehe davon nichts, schlechterdings nichts. - "Macht nichts aus! Sagen Sie nur, was Sie davon denken, ich höre gern, worauf ein Mann fallen kann, der gar keine Kenntniß von der Kriegskunst hat, und was bei einem solchen die Instructionen bewirken können, die ich gebe etc."
Es ist allgemein geglaubt worden, daß v. Catt die Stelle eines Vorlesers bei'm König gehabt habe; es ist dies aber falsch. Vorleser war zu jener Zeit ein Page Namens Malcesky (soll wohl heißen Malschitzky). Der König hatte v. Catt als "Gesellschafter" in seine Dienste genommen. Einst gab er ihm einen Brief, auf dessen Adresse man ihm den Titel "Vorleser" gegeben hatte, und sagte: Sie sind nicht mein Vorleser, sondern mein Auserlesener.
Einige Jahre vor des Königs Tode ließ er ihn nicht mehr zu sich berufen, doch wurde ihm sein Gehalt wie gewöhnlich ausgezahlt.
König Friedrich Wilhelm II. schenkte ihm die Anwartschaft auf ein einträgliches Canonicat (zu St. Sebastian in Magdeburg).
Er starb in Potsdam am 27. Novbr. 1793.
<287> Voltaire au Roi
aux delices prés de Geneve
4 aoust 1755.
Sire.
Si les belles lettres qui ont servi de délassement à votre Majesté dans ses travaux s'amusent encore, permettez, que je mette a vos pieds et sous votre protection cette tragédie 287-+ que je commançai chez vous avant d'avoir le malheur de vous quitter; j'avois volu la finir dans votre palais de Potsdam aussi bien que ma vie, les beautez du lac de Geneve et de la retraite que j'ay choisie pour mon tombeau sont bien loin de me consoler du malheur de n'être plus auprés de votre majesté.
Je ne peux soulager mon amertume qu'en saisissant les moindres occasions de vous renouvellez mes sentiments, ils sont tels qu'ils étaient quand vous avez daigné m'aimer, et j'ose coire encore que vous n'êtes pas insensible à l'admiration très sincère d'un homme qui vous a aproché; et dont la douleur extreme est étouffée par le souvenir des vos premières bontez; ne pouvant avoir la consolation de me mettre moy même aux pieds de votre majesté, je veux avoir au moins celle de m'entretenir de vous au milord maréchal; je ne suis pas éloigné de luy 287-++; et si votre majesté m'en donne la permission, si ma malheureuse santé m'en laisse la force, j'irai luy dire ce que je ne vous dis pas, combien vous êtes au dessu des autres hommes et à quel point j'ai eu la hardiesse et la faiblesse de vous aimer de tout mon coeur, mais je ne dois parler à votre majesté que de mon profond respect.
V.<288> Sire.
Wenn die Litteratur, welche sonst Ew. Majestät zur Erholung von Ihren Arbeiten gedient hat, Sie noch angenehm unterhält; so erlauben Sie, daß ich das Trauerspiel, welches ich anfing, als ich noch bei Ihnen war, und ehe ich das Unglück hatte Sie zu verlassen, Ihnen zu Füßen lege, und Ihrem Schutze empfehle. In Ihrem Palais zu Potsdam hatte ich es, so wie mein Leben, endigen wollen. Die Schönheiten des Genfer Sees, und der stille Aufenthalt, den ich für mein Grab gewählt habe, sind weit entfernt, mich über das Unglück: nicht mehr um Ew. Majestät zu sein, zu trösten.
Ich kann meine Betrübniß nur dadurch mindern, daß ich die geringsten Gelegenheiten ergreife, Ihnen meine Gefühle zu erneuern, sie sind noch dieselben, die sie ehemals waren, als Sie mich Ihres Wohlwollens würdigten, und ich schmeichle mir noch, daß Sie nicht unempfindlich gegen die sehr aufrichtige Hochachtung eines Menschen sind, der Ihnen nahe war, und dessen außerordentlicher Schmerz nur durch das Andenken an Ihre frühere Gunst gemildert wird. Da ich nicht den Trost habe, mich selbst Ew. Majestät zu Füßen legen zu können, so will ich wenigstens den haben, mich mit dem Lord Marschall von Ihnen zu unterhalten. Ich bin nicht weit von ihm entfernt, und wenn Ew. Majestät mir die Erlaubniß geben, und mein unglücklicher Gesundheitszustand mir dazu die Kräfte läßt, werde ich zu ihm gehen, und ihm sagen, was ich Ihnen nicht sage, wie sehr Sie über andere Menschen erhaben sind, und bis zu welchem Grade ich Muth und Schwäche gehabt habe, Sie von ganzem Herzen zu lieben. Doch, ich soll zu Ew. Majestät von Nichts, als nur von meiner tiefsten Verehrung sprechen.
284-+ Thiébault in: Mes Souvenirs T. I. p. 215, 216, sagt auch, daß der König und Balbi sich auf dieser Reise für Musiker ausgegeben hätten.
287-+ Orphelin de la Chine ou Gengis-Chan (v. Luchet histoire litteraire de Voltaire III. 180.)
287-++ Lord Marchall war in Neuchatel.