Januar 1759.
A.
Januar 1759
Der König in Breslau.
2. Januar 1759
Unter diesem Datum sieht der Brief des Königs an Voltaire, welchen wir bereits unter dem Monat November 1758 mitgetheilt haben, in den hinterl. Werk., Ausg. 1789, IX. 174. Wir haben jenen aus einer Ausgabe der Korrespondenz Friedrich's mit Voltaire genommen, welche auch Voltaire's Antwort darauf vom Dezbr. 1758 enthält. Hiernach wäre das Datum vom 2. Jan. falsch, gleichwohl ist dieser Brief hier: "Breslau" überschrieben, wo der König im November nicht war. In der Baseler Ausgabe der Oeuv. compl. de Voltaire fehlt sowohl der Brief des Königs, als auch Voltaire's Antwort. Da die andern Ausgaben von Voltaire's Werken uns nicht zur Hand sind, müssen wir es Andern überlassen, das Räthsel zu lösen.
<369>4. Januar 1759
Der König schreibt an Algarotti in Padua. Der Brief, d. d. Breslau, ist wörtlich gleichen Inhalts, wie der vorstehend erwähnte an Voltaire, bloß daß am Schluß, nach den Worten: "Leben Sie glücklich" noch folgt: "in Padua."
9. Januar 1759
Der König an Fouqué:
- etc. "So reich, wie Sie wohl denken, bin ich nicht, aber durch viele Industrie und Benutzung aller Resourcen habe ich den Bedarf für den Feldzug ausfindig gemacht. - etc. Was zu meiner Disposition übrig blieb, habe ich mit Ihnen und ein Paar Freunden getheilt. etc."
23. Januar 1759
Der König an Voltaire. - Die Verse auf den Tod der Markgräfin, welche Voltaire auf des Königs Verlangen verfertigt hatte, genügen ihm nicht, er verlangt "etwas Hervorstechenderes." - etc. "Man sagt: Apelles sei allein würdig gewesen, den Alexander zu malen, und ich glaube: nur Ihre Feder sei es werth, der, die ich ewig beweinen werde, diesen Dienst zu erweisen. - etc. Mit einem Wort: ich werde nicht zufrieden sterben, wenn Sie bei der traurigen Pflicht, die ich von Ihnen fodere, Sich nicht selbst übertreffen. Thun Sie Wünsche für den Frieden. Aber wenn ihn auch die Siegesgöttin zurückbrächte, so würde doch weder der Friede, noch der Sieg, noch Alles, was in der Welt ist, den grausamen Schmerz mildern, der mich verzehrt."
30. Januar 1759
Dieses Datum hat das (vom König verfaßte): "Päpstliche Breve an den Feldmarschall Daun." S. meine Beiträge II. 503.
B.
1. Januar 1759
Die Preußen nehmen Damgarten.
2. Januar 1759
Die Franzosen unter Soubise besetzen Frankfurt a. M.
3. Januar 1759
Stirbt der Generalmajor von Mayr in Plauen.
3. Januar 1759 bis 7. Januar 1759
Die Preußen besetzen die Insel Usedom, auch Wolgast, Triebsee, Greifswald.
<370>15. Januar 1759
Graf Dohna nimmt den Schweden Demmin wieder ab, und macht 1275 Mann zu Gefangenen.
21. Januar 1759
Ergiebt sich auch Anklam, 1421 Schweden werden gefangen.
Februar.
A.
Februar 1759
Der König in Breslau.
B.
1. Februar 1759
Die Leiche des bei Hochkirch erschossenen General-Feldmarschalls und Gouverneurs von Berlin, von Keith, kommt von Bautzen in Berlin an, und wird in der Köpnicker Vorstadtkirche niedergesetzt. Von hier aus fand am 3ten das feierliche Leichenbegängniß nach militairischem Gebrauch und unter Läutung aller Glocken Statt. Die Leiche ward nach der Garnisonkirche gebracht. (Spenersche Zeitung 1759. Nr. 16).
24. Februar 1759
Der Generalmajor von Wobersnow rückt mit einem Preußischen Corps in Polen ein, entwaffnet in Neissen (bei Lissa) die Garde des Fürsten Sulkowsky, und arretirt ihn, weil er auf eigene Hand Rüstungen gegen Preußen unternommen hatte. Er ward nach Glogau gebracht.
27. Februar 1759
28. Februar 1759
Die Reichstruppen übergeben Erfurt mit Capitulation an die Preußen.
März.
A.
2. März 1759
Der König in Breslau - schickt an Voltaire verschiedene Verse und Aufsätze. Aus dem Antwortschreiben Voltaire's vom 29. März (im Freimüthigen 1804, S. 150) sieht man, daß darunter auch die beiden Aufsätze: Über die Satyre, und die Lobrede auf den Schuster Reinhard gewesen sind). In seinem Briefe sagt der König unter andern: - etc. "Meine Verse sind nicht für das Publikum geschrieben. Ich besitze weder hinlängliche Imagination, noch bin ich der Sprache genug mächtig, um gute Verse zu machen, und die<371> mittelmäßigen sind unerträglich. Man duldet sie unter Freunden, und das ist auch Alles. etc.
Ich komme nun auf den Punkt, der Ihnen am meisten am Herzen zu liegen scheint, und gebe Ihnen mein Wort, nicht mehr an das Vergangene zu denken; aber lassen Sie vorher einen Mann (Maupertuis) in Frieden sterben, den Sie grausam verfolgt haben, und der nach aller Wahrscheinlichkeit nur noch wenige Tage zu leben hat. etc." - Dann fodert der König ihn nochmals auf, seiner verstorbenen Schwester ein Denkmal "in Prosa oder in Versen" zu stiften.
12. März 1759
Der König an Voltaire:
- etc. "Je älter man wird, desto mehr überzeugt man sich, daß Se. Majestät der Zufall drei Viertheile des Tagewerks in dieser elenden Welt verrichtet, und daß diejenigen, die sich die Klügsten dünken, die Thörigsten von der zweifüßigen unbefiederten Thierart sind, zu welcher wir zu gehören die Ehre haben."
Aus einem Antwortschreiben Voltaire's vom 27. März 1759 sieht man, daß er den Kammerherrnschlüssel und den Orden pour les mérites nicht wieder erhalten hatte, obgleich er seinen Freunden schreibt, der König habe ihm beides von selbst wieder zugeschickt. (Lettre à Darget. Lausanne ce 8 Janv. 1758 in: V. peint par lui même etc. p. 223).
24. März 1759
Der König aus Breslau, geht durch Schweidnitz, wo er den kranken General von Kyau besucht, und dann nach Rohnstock.
B.
2. März 1759
Der König läßt eine Erklärung wegen seines Einfalls in Polen und der Wegführung des Fürsten Sulkowsky zu seiner Rechtfertigung bekannt machen.
10. März 1759
Die Preußen verlassen Erfurt wieder.
12. März 1759
Der Generalmajor von Wobersnow kommt von seiner Expedition aus Polen, wo er die Russischen Magazine vernichtet hat, zurück.
<372>April.
A.
1. April 1759
Der König von Rohnstock nach Bolkenhayn.
5. April 1759
In Hirschberg, wo er bis den 6ten bei Herrn Kahl auf Kemnitz übernachtet, und wieder nach Volkenhayn zurückkehrt.
10. April 1759
Aus Volkenhayn in's Lager bei Landshut und zurück.
11. April 1759
Der König an Voltaire:
- etc. "Ich bediene mich aller meiner Waffen gegen meine Feinde, und gleiche dem Stachelschwein, das seine sämtlichen Stacheln aufrichtet, um sich damit zu vertheidigen. Daß die meinigen gut sind, behaupte ich eben nicht, aber man muß von allen seinen Kräften, so wie sie nun einmal sind, Gebrauch machen, etc. Man scheint in diesem Krieg alles rechtliche Betragen und allen Wohlstand vergessen zu haben. Die gebildetsten Nationen führen Krieg, wie die wilden Thiere. Ich schäme mich der Menschheit, und erröthe für das Jahrhundert. Lassen Sie uns nur die Wahrheit gestehen: die schönen Wissenschaften und die Philosophie verbreiten sich nur unter die kleinere Anzahl; der große Haufe, das Volk und der Pöbel unter dem Adel bleiben das, wozu die Natur sie geschaffen hat, das heißt: wilde Thiere."
12. April 1759
Nach Landshut, er logirt bei dem Kaufmann Deyber.
18. April 1759
An Voltaire:
- etc. "Jeder, der nicht ein geborner Franzose oder lange in Paris wohnhaft gewesen ist, kann die Sprache nicht so vollkommen in seiner Gewalt haben, um gute Verse oder elegante Prosa darin zu schreiben. Ich lasse mir in diesem Stücke hinlänglich Gerechtigkeit widerfahren, und bin der erste, der meine Armseligkeiten nach ihrem wahren Werth würdigt, aber sie unterhalten und zerstreuen mich, und das ist denn auch ihr einziges Verdienst, etc. Beredtsamkeit und Dichtkunst verlangen, daß man sich ihnen ganz widmet, und mich nöthigt gegenwärtig meine Pflicht, mich sehr ernsthaft auf etwas An<373>deres zu legen. etc. Ich wünsche Ihnen Glück, daß Sie noch ordentlicher Kammerherr des Vielgeliebten (Ludwig XV.) sind. Indeß werden Sie durch sein Patent nicht unsterblich werden, sondern Ihre Apotheose nur der Henriade, dem Ödip, dem Brutus, der Semiramis, der Merope, dem Herzog de Foix etc. verdanken. Diese werden Sie berühmt machen, so lange es noch Menschen, welche die Wissenschaften kultiviren, Leute von Geschmack und Liebhaber des göttlichen Talents, das Sie besitzen, auf der Erde giebt.
Ich für mein Theil verzeihe Ihnen wegen Ihres Genies alle die Kabalen und Intriguen, die Sie mir in Berlin spielten, alle Libelle aus Leipzig, und Alles, was Sie gegen mich sagten oder drucken ließen. Es war stark, hart und viel; indeß habe ich nicht den geringsten Groll mehr. etc."
20. April 1759
An Fouqué:
- etc. "Uns kann nicht Alles nach Wunsch gelingen, liebster Freund. Inzwischen muß man dem Glücke nachjagen. Bisweilen findet man es, wo man seiner am wenigsten gewärtig ist, bisweilen läßt uns die flatterhafte arge Buhlerin im Stich, nachdem sie uns durch ihre treulosen Liebkosungen an sich gezogen hat."
22. April 1759
An Voltaire. - Der König kritisirt eine Dichtung (Trauerode) Voltaire's sehr gründlich.
?? April 1759
Der König in Schweidniß.
?? April 1759
In Neisse (beide Angaben nach Ösfeld, doch ist des Königs nachstehender Brief an Voltaire vom 28sten in den hinterl. W. IX. 190 noch Landshut überschrieben. Vergl. unten, den 29sten).
28. April 1759
Der König an Voltaire:
- etc. "Sie glauben, man habe nur aus Ehre Muth; aber ich sage Ihnen ganz dreist: es giebt mehrere Arten desselben; eine, die aus Temperament entspringt, und für den gemeinen Soldaten vortrefflich paßt; eine andere, die aus Nachdenken entsteht, und dem Officier angemessen ist; eine dritte,<374> die von der Liebe zum Vaterlande erregt wird, und die ein jeder guter Bürger haben sollte; endlich die, welche ihren Ursprung der Schwärmerei des Ruhms verdankt, und die man an Alexander, Cäsar, Karl XII. und dem großen Condé bewundert. Das sind die verschiedenen Instinkte, die den Menschen zu Gefahren hintreiben. Die Gefahr an sich selbst hat nichts Anziehendes oder Reizendes; aber man denkt eben nicht an sie, wenn man einmal darin ist."
29. April 1759
Der König in Landshut. (Oeuv. posth. VII. 249 und hinterl. Werke VII. 15).
29. April 1759
Mittags um 1 Uhr traf der König in Neisse ein, laut seines Briefes an Fouqué. (Mém. du etc. Fouqué p. 144).
30. April 1759
Traf der König früh halb 6 Uhr bei dem General Fouqué in Deutsch-Kamnitz ein, und noch denselben Morgen in Oppersdorf.
B.
10. April 1759
Die Preußen erobern die Peenemünder Schanze.
13. April 1759
Treffen bei Bergen; der Herzog Ferdinand kann die feindliche Position unter Broglio nicht überwältigen, und muß sich zurückziehen. Der Prinz von Isenburg tödtlich verwundet.
14. April 1759
Prinz Heinrich rückt in Böhmen ein.
15. April 1759
Treffen bei Commotau (Hülsen gegen Reichardt).
24. April 1759
Prinz Heinrich kommt mit seinem Corps nach Sachsen (in Groß-Sedlin) zurück.
26. April 1759
Die Franzosen unter de Ville rücken in Ober-Schlesien bis Neustadt vor, und bald darauf auf Zuckmantel.
28. April 1759
Prinz Heinrich geht mit seiner Armee nach Franken.
Mai.
A.
1. Mai 1759
Der König marschirt auf Zuckmantel, greift selbst den General de Ville an, und schlägt ihn. (Ganz falsch giebt Ösfeld Schweidnitz als Hauptquartier des Königs an).
2. Mai 1759
Der König geht nach Landshut. Hier blieb er bis den 20sten.<375> Während dieses Aufenthalts ließ er die reitende Artillerie bei der Armee einführen.
In den hinterl. Werk. IX. 194 ist ein Brief des Königs "Wilsdruf, d. 18. Mai 59" überschrieben, was ein Irrthum ist. Nach Kabinetsordres des Königs war er bestimmt den 3ten, 5ten, 8ten, 13ten, 18ten, 20sten, 22sten in Landshut.
12. Mai 1759
Der König an d'Argens:
- etc. "Die Feinde machen mir viel zu schaffen etc. Schelten Sie nicht, wenn ich immer auf mein altes Kapitel zurückkomme. Es beschäftigt mich, wie billig, so stark, daß die Anstrengung, womit ich auf meine Manövres sinne, alle Kräfte meines Geistes verschlingt. Ich lese nun Nichts, als den Lukrez und Ihre Briefe. Meine Maschine fängt an, aus dem Gange zu kommen, mein Körper ist abgenutzt, mein Geist erlischt, und meine Kräfte verlassen mich. Allein die Ehre spricht, und ich denke und handle durch sie. etc."
20. Mai 1759
21. Mai 1759
Der König in Libau. Hier hat ein Gefecht mit den Panduren Statt, dem der König selbst beiwohnte.
21. Mai 1759
In Landshut.
22. Mai 1759
In Landshut und in Reichhennersdorf.
24. Mai 1759
In Landshut.
27. Mai 1759
In Reichhennersdorf.
28. Mai 1759
Der König an d'Argens:
- etc. "Meine Geschäfte werden sehr schwer zu führen etc. - Der Feind in der Gegend von Schlesien ist 90000 Mann stark, und ich habe ungefähr nur 50000 ihm entgegen zu stellen. Die Verlegenheit wird sich dann erst recht merklich zeigen, wenn die Armeen den Feldzug eröffnen. Wir werden viele Geschicklichkeit, Kunst und Tapferkeit anwenden müssen, um der drohenden Gefahr zu entgehen. etc. - Die Hauptsache, den schwersten Knoten, haben wir noch vor uns, und man muß abwarten, was das Schicksal beschließen wird. Doch was es auch thun mag, meine Philosophie wird es nicht stören.
<376>Gesundheit und Zufriedenheit des Herzens? daran denke ich nicht, und beide sind nur sehr gleichgültig. Ich sehe wohl, mein lieber Marquis, daß Sie so verblendet sind, wie das Publikum. In der Ferne mag meine Lage vielleicht einigen Glanz von sich werfen, kämen Sie aber näher, so würden Sie Nichts als dicken und undurchdringlichen Rauch finden. Fast weiß ich nicht mehr, ob es ein Sanssouci in der Welt giebt; der Ort sei wie er wolle - der Name (Sorgenfrei) gehört nicht mehr für mich. Kurz, lieber Marquis, ich bin alt, traurig und melancholisch. Von Zeit zu Zeit blicken noch einige Funken von meiner ehemaligen Laune auf, aber sie erlöschen geschwind, weil sie von keiner Gluth unterhalten werden. Es sind Blitze, die aus dunkeln Wetterwolken hervorbrechen. Ich rede aufrichtig mit Ihnen; sähen Sie mich, Sie würden keine Spur mehr von dem erkennen, was ich ehemals war, sondern einen alten Mann erblicken, der schon grau wird, die Hälfte seiner Zähne verloren hat, und dem es an Frohsinn, an Feuer und Imagination fehlt, etc. - Das, mein Lieber, sind die Wirkungen, nicht sowohl der Jahre, als der Sorgen, und die traurigen Erstlinge der Hinfälligkeit, die uns der Herbst unsers Lebens unfehlbar bringt.
Diese Betrachtungen machen mich sehr gleichgültig gegen das Leben, und geben mir gerade die Stimmung, in der ein Mensch sein muß, der das Geschick hat, sich auf Leben und Tod schlagen zu müssen. Mit einer solchen Gleichgültigkeit gegen das Leben kämpft man muthiger, und verläßt diesen Aufenthalt ohne Bedauern. etc."
B.
7. Mai 1759
8. Mai 1759
Die Russen streifen wieder bis Bütow.
8. Mai 1759
In Berlin entstand auf dem Mühlendamm ein großer Brand, der mehrere Tage dauerte.
16. Mai 1759
Die Preußen rücken in's Bambergische ein.
21. Mai 1759
Der General Soltikof übernimmt den Oberbefehl über die sehr verstärkte Russische Armee.
<377>23. Mai 1759
Die Preußen verlassen das Bambergische und nach und nach Franken, und rücken wieder in Sachsen ein.
Juni.
A.
Juni 1759
Der König in Reichhennersdorf bis den 29sten.
10. Juni 1759
Der König an Voltaire:
- etc. "Ihre Nichte hat ihren stolzen Eifer für ihre Nation ausbrechen lassen, und mich verbrannt, wie ich es in Berlin mit Ihnen machte (d. Akakia), und wie es Ihnen nachher auch in Frankreich ging. Ihre Landsleute sind alle halb wahnsinnig, wenn die Frage von der Präeminenz ihres Königreichs ist. etc. - Sie aber, der Sie Sich nicht schlagen werden - mokiren Sie Sich um's Himmels willen über Niemand. Sein Sie ruhig und glücklich, da Sie keine Verfolger haben. etc."
Nachschrift. "Aber wollen Sie denn erst im siebzigsten Jahre verständig werden? Lernen Sie doch endlich Ihrem Alter, was für ein Ton schicklich ist, wenn man an mich schreibt. Begreifen Sie doch, daß es erlaubte Freiheiten, aber auch Unverschämtheiten giebt, die für Gelehrte und für schöne Geister unerträglich sind.
Werden Sie doch endlich philosophisch, d. h. vernünftig. Möchte der Himmel, der Ihnen so viel Witz zugetheilt hat, Ihnen doch auch verhältnißmäßigen Verstand geben! Ließe sich das thun, so wären Sie der erste Mann in dem Jahrhundert, und vielleicht der größte, den die Erde gehabt hätte. Und das wünsche ich Ihnen."
Dieser Brief bezieht sich auf ein Schreiben Voltaire's vom Mai, darin er, unter andern Witzeleien und Sticheleien auch eine Fabel von einem Löwen und einer Katze vorbringt, und dann mit den Worten schließt: Sire, die Katze küßt in Unterthänigkeit Ihre schöne Klaue etc.
<378>29. Juni 1759
An denselben:
"Lebte ich in den alten Ritterzeiten, so würde ich Ihnen sagen: "Ihr habt in Euern Hals hineingelogen, da Ihr vor aller Welt behauptet, daß ich Euch geschrieben, Ihr solltet meine Geschichte von Brandenburg gegen die Albernheiten vertheidigen, die ein Abbé in ic oder ac davon sagt." Ich kümmere mich sehr wenig um meine Werke, da ich nicht so viel enthusiastische Liebe für sie habe, wie die berühmten Schriftsteller für das geringste Wort, das ihnen entfällt. Weder für meine Prosa, noch für meine Verse, werde ich mich mit irgend Jemand schlagen, und man kann davon urtheilen, was man will, ohne daß es mir schlaflose Nächte verursacht. etc."
30. Juni 1759
Der König in Sagan.
B.
2. Juni 1759
Der Feldmarschall von Kalkstein (Friedrich's ehemaliger Gouverneur) stirbt in Berlin, 77 Jahr alt.
10. Juni 1759
Die Alliirten verlassen Cassel und Umgegend.
14. Juni 1759
Russische leichte Truppen streifen bis Guhrau (Schlesisch).
15. Juni 1759
General Dohna marschirt nach Polen, um die von daher anrückenden Russischen Corps aufzuhalten, was ihm wegen ihrer Übermacht nicht gelingt.
29. Juni 1759
Die Preußen nehmen Schatzlar in Böhmen.
Juli.
A.
Juli 1759
Der König in Reichhennersdorf.
2. Juli 1759
Der König an Fouqué:
- etc. "Sobald muß man nicht ungeduldig werden etc. - Auf zweierlei muß ich mein Augenmerk richten, darauf: Landshut zu decken, und dann, zu verhindern, daß man mich mich von Glatz abschneidet - es wird ein wenig schwer halten etc."
2. Juli 1759
An Voltaire:
"Ja, Deine Muse höhnet mich,
Wenn sie den Frieden von mir fleht.<379> Ich sehne herzlich mir den Tag,
Der ihn erblühen läßt, herbei. etc.
Glauben Sie denn, es sei ein Vergnügen, ein solches unseliges Leben zu führen, Unbekannte ermorden zu sehen und ermorden zu lassen, täglich Bekannte und Freunde zu verlieren, seinen Ruf ohne Unterlaß dem Eigensinn des Ungefährs darzubieten, das ganze Jahr in Unruhe und Vesorgniß hinbringen, und sein Leben und sein Glück unaufhörlich in Gefahr zu setzen? Ich kenne in der That den Werth der Ruhe, die Annehmlichkeiten der Gesellschaft, die Vergnügungen des Lebens, und bin eben so gern glücklich als jeder Andere, wer es auch sein mag. Aber ob ich mir gleich alle diese Güter wünsche, so will ich sie doch nicht durch Niederträchtigkeiten und Infamieen erkaufen. Die Philosophie erinnert uns, unsere Pflicht zu thun, unserm Vaterland auf Kosten unsers Blutes und unsrer Ruhe zu dienen, und ihm uns selbst aufzuopfern. etc."
Der übrige Theil des Briefes ist ziemlich launig, ihm ist auch die Satyre: Daun's Brief an den Pabst, beigelegt. Der König sagt dabei: "Indessen schicke ich Ihnen einen Akakia gegen Se. Heiligkeit, der, wie ich mir schmeichle, Dero frommes Herz erbauen wird." Dieser Brief an den Pabst: Brüssel, den 8. Juli 1759, enthält unter andern Daun's Dank für den von, Papst empfangenen geweihten Hut und Degen, das Versprechen, die Ketzer ausrotten zu helfen etc. (Suppl. 3. Bd. S. 221).
6. Juli 1759
Der König von Reichhennersdorf nach Waltersdorf bei Löwenberg. (Am 5ten soll der König sein Haupt- oder Nachtquartier in Hirschberg gehabt haben, wie Ösfeld angiebt, indeß sind zwei Kabinetsordres vom 5ten und 6ten, noch aus Reichhennersdorf datirt).
9. Juli 1759 und 10. Juli 1759
In Wünschendorf (Lager bei Lähn).
10. Juli 1759
In Dürings-Vorwerk, bei Schmotseissen.
Hier machte der König sein Testament. Er beschwor den<380> Prinzen Heinrich, den er zum Vormund seines Neffen bestellt, nie in einen dem Hause Brandenburg schimpflichen Frieden zu willigen, wenn er das Unglück haben sollte, zu bleiben oder gefangen zu werden. (Retzow II. 96, 97).
Wahrscheinlich geschah es kurz vor seinem Abmarsch am 23sten, wo er mit dem Entschluß, den Russen eine große Schlacht zu liefern, über Sagan nach der Gegend von Frankfurt ging, wo auch die unglückliche Schlacht erfolgte.
18. Juli 1759
Der König an Voltaire:
"Sie sind doch wirklich ein sonderbares Geschöpf; wenn ich Lust habe, mit Ihnen zu schmälen, so sagen Sie mir zwei Worte, und der Verweis stirbt mir in der Feder.
Bei Deinem glücklichen Talent
Uns zu bezaubern, ward Dir noch
So viele Anmuth, Geist und Kunst;
Wenn Deine Bosheit mich erzürnt,
Verzeih' ich doch dem Arouet.
In meiner tiefgerührten Brust
Entwaffnet er so ganz den Zorn.
So verfahren Sie mit mir. etc. - etc. Ich weiß wohl, daß ich einen Abgott aus Ihnen gemacht habe, so lange ich Sie weder für einen Kabalenmacher, noch für boshaft hielt. Sie haben mir aber schlimme Streiche von so mancherlei Art gespielt - - - Genug davon. Ich habe Ihnen mit christlichem Herzen alles vergeben. Am Ende haben Sie mir mehr Vergnügen gemacht, als wehe gethan.
Wenn Sie keine Fehler hätten, so würden Sie das Menschengeschlecht zu sehr demüthigen. etc."
24. Juli 1759
Der König erhält die Nachricht, daß der General von Wedel von den Russen bei Palzig (Kay und Züllichau) geschlagen worden.
29. Juli 1759 bis 30. Juli 1759
In der Nacht bricht der König von Dürings-Vorwerk (Schmotseiffen) auf, und geht nach Sagan.
31. Juli 1759
Von Sagan nach Christiansstadt. Abends nach Sommerfeld.
<381>9. Juli 1759
10. Juli 1759
Die Franzosen, unter Broglio, nehmen Minden.
15. Juli 1759
Herzog Ferdinand besetzt Bremen.
16. Juli 1759
Der Östreichische General Harsch rückt in Schlesien ein.
17. Juli 1759
General Dohna rückt in das Lager bei Züllichau, bald nachher übernimmt General von Wedel das Obercommando.
20. Juli 1759
Die Russen rücken über Halzen nach Züllichau vor.
23. Juli 1759
Treffen bei Palzig (Kay und Züllichau). Der Russische General Soltikof schlägt die Preußen unter General von Wedel; sie verloren gegen 8000 Mann an Todten, Verwundeten und Gefangenen. General Wobersnow ward dabei getödtet.
25. Juli 1759
Die Franzosen nehmen Münster.
27. Juli 1759
Stirbt Maupertuis in Basel.
Die Russen ziehen sich nach Frankfurt a. d. O., und die Östreicher, unter Laudon, durch die Nieder-Lausitz, um sich mit den Russen zu vereinigen.
31. Juli 1759
Soltikof besetzt Frankfurt a. d. O.
August.
A.
1. August 1759
Der König in Sommerfeld.
2. August 1759
In Markersdorf.
3. August 1759
Früh um 3 Uhr nach Beeskow.
Von hier schrieb der König an den Minister von Finkenstein: "Nach schrecklichen und furchtbaren (cruelles et terribles) Märschen bin ich so eben hier angekommen. Ich bin sehr erschöpft. Sechs Nächte sind es, daß ich kein Auge zugethan habe. Adieu."
4. August 1759
In Müllrose bis den 7ten.
7. August 1759
In Wulkow bis den 10ten.
8. August 1759
Der König an den Minister von Finkenstein:
"Ich habe viel Anordnungen zu machen, und große Schwierigkeiten zu überwinden, aber man muß das Vaterland ret<382>ten, und nicht es preisgeben. Es ist mehr als jemals Klugheit, und mehr Unternehmungsgeist nöthig; indeß, ich werde thun und unternehmen, alles, was ich glaube, das thunlich und möglich ist, dabei befinde ich mich in der Notwendigkeit, zu eilen, um den Absichten, die Haddick auf Berlin haben könnte, zuvorzukommen. Adieu, mein Lieber. Entweder werden Sie in Kurzem ein de profundis oder ein te deum singen."
10. August 1759 bis 11. August 1759
Nachts geht der König bei Reitwein über die Oder bis Bischofssee, wo er die Nacht zubringt.
12. August 1759
Unglückliche Schlacht des Königs bei Kunersdorf gegen die Russen, unter Soltikof, und Östreicher, unter Laudon. Nach Tempel Hof betrug die Stärke der Preußischen Armee ungefähr 44700 Mann, darunter 14000 Mann Kavallerie, die des Feindes circa 60000 Mann. Die Preußen verloren:
an Todten | 89 Officiere und 5969 Mann, |
Verwundeten | 411 10676 |
Gefangenen u. Vermißten | 34 1316 |
534 Officiere und 17961 Mann. |
Es gingen verloren: 172 Geschütze, 26 Fahnen, 2 Standarten. Die anfänglich eroberten 90 Russischen Geschütze gingen wieder mit verloren.
Unter den Todten war der General Puttkammer, unter den Blessirten die Generale von Seidlitz, Prinz von Würtemberg, von Itzenplitz, von Hülsen, von Fink, von Wedel, von Knoblauch, von Klitzing, von Stutterheim, von Platen und von Sparr. Auch fiel hier der als Dichter bekannte Major Ewald von Kleist. Er wurde schwer verwundet nach Frankfurt gebracht, wo er bald nachher starb, und von den Russen sehr ehrenvoll beerdigt wurde.
Den König traf eine Musketenkugel, die sein in der Westentasche befindliches Etui beschädigte und dabei liegen blieb. (Sie kam in Besitz des von Catt, in dessen Nachlaß man sie, in einer goldenen Dose aufbewahrt, fand. Wilken<383> Verl. W. Kalender 1827, S. 93). Auch zwei Pferde wurden unter ihm verwundet. (Nicolai Anecdoten IV. 64, und Archenholz Gesch. d. siebenj. Krieges 1793. I. 391). Als er das dritte Pferd bestieg, welches der Flügeladjutant Götz (es war sein eigenes) ihm zuführte, bat man den König dringend, diesen gefährlichen Ort zu verlassen. Er antwortete aber: "Wir müssen alles versuchen, um die Schlacht zu gewinnen, und ich muß hier so gut wie Ihr meine Schuldigkeit thun." Bei'm Rückzuge, der theilweise in Flucht überging, entstand ein entsetzliches Gedränge, und der König, der unter den Letzten war, die das Schlachtfeld verließen, war in größter Gefahr, gefangen zu werden; er glaubte sich schon verloren, und sagte dies zu dem damaligen Rittmeister Prittwitz. Dieser heldenmütige Officier aber antwortete: "Nein, Ihro Maj., das soll nicht geschehen, so lange noch ein Athem, in uns ist." Er griff sogleich mit nur etwa hundert Husaren die verfolgenden Kosacken an, und verschaffte so dem König Zeit, sich zu retten. (Archenholz I. 394. Hinterl. Werke IV. 34).
Der Verlust des Feindes war ebenfalls sehr beträchtlich. Nach den eigenen Angaben verloren sie an Todten, Verwundeten und Vermißten: 554 Offiziere und 13293 Gemeine, unter den Blessirten waren 6 Generale. Das Laudonsche Corps hatte 116 Officiere todt, verwundet und vermißt, so daß sich der Totalverlust der Russisch-Östreichischen Armee auf 670 Officiere und 15506 Gemeine belief. Soltikof schrieb an die Kaiserin von Rußland: "Der König von Preußen pflegt seine Niederlagen theuer zu verkaufen; wenn ich noch einen solchen Sieg erfechten sollte, werde ich die Nachricht davon mit dem Stab in der Hand allein überbringen müssen." (Gesch. des siebenj. Krieges etc., bearb. von Officieren des großen Generalstabes. Berlin 1828. III. 122 etc.).
Besondere Schriften über diese furchtbar blutige Schlacht sind: J. L. Kriele, ausführliche und zuverläßige hist.-milit.<384> Beschreibung der Schlacht bei Kunersdorf etc., mit einem großen Plan. Berlin 1801. - Seidel, kurze Nachricht von der Schlacht bei Kunersdorf etc., nebst einigen wichtigen Vorfällen vor und nach der Schlacht, von einem Augenzeugen etc. Frankfurt (1809). - Eine Zusammenstellung aller verschiedenen Nachrichten von dieser Schlacht, nebst gründlicher Untersuchung und Beurtheilung etc. findet man in dem Militärischen Wochenblatt Nr. 550-557.
Der König wendete sich nach der Schlacht nach der Oder bei Reitwein, und brachte die Nacht in einem von den Russen halb zerstörten Bauerhause des Dorfes Ötscher zu. Von hier aus sandte er gleich einen Jäger mit einem Schreiben nach Berlin, darin er mit wenigen Worten sagt, daß er jetzt außer Stand sei, die Stadt zu schützen, daher alle die vornehmsten und reichsten Einwohner sich nach Möglichkeit mit ihrem Vermögen entfernen möchten.
In größter Verzweiflung schrieb er auch an den Minister von Finkenstein folgenden Brief:
"Den 12. August 1759."
"Diesen Morgen um 11 Uhr habe ich den Feind angegriffen. Wir haben ihn bis an den Judenkirchhof bei Frankfurt getrieben, alle meine Truppen haben sich hingegeben und Wunder gethan (ont donné et ont fait des prodiges), aber dieser Kirchhof hat uns eine Menge Menschen gekostet, unsere Leute sind in Unordnung gekommen, ich habe sie drei Mal wieder gesammelt, endlich glaubte ich selbst dem Feind in die Hände zu fallen, und sah mich gezwungen, das Schlachtfeld zu räumen. Meine Kleider sind von Kugeln durchlöchert, und zwei Pferde sind mir unter dem Leibe getödtet, mein Unglück ist, daß ich noch lebe. Unser Verlust ist sehr beträchtlich; von einer Armee von 48000 Mann habe ich jetzt, da ich dieses schreibe, überhaupt keine 3000, und ich bin nicht Herr meiner Leute; man wird in Berlin wohlthun, auf seine Sicherheit zu denken. Das ist ein grausamer Schlag, ich<385> werde ihn nicht überleben. Die Folgen dieser Schlacht sind schlimmer, als die Schlacht selbst, ich habe keine Rettungsmittel mehr, und - um nicht zu lügen - ich glaube, es ist alles verloren, ich werde den Verlust meines Vaterlandes nicht überleben. Adieu, auf immer."
12. August 1759
Der König an d'Argens:
"Gestern schrieb ich Ihnen, Sie möchten kommen, aber heute verbiete ich es Ihnen. Daun ist in Kotbus, er marschirt nach Lübben und Berlin. Fliehen Sie diese unglücklichen Gegenden. Diese Nachricht zwingt mich, die Russen zwischen hier und Frankfurt noch einmal anzugreifen. Sie können glauben, daß dies ein verzweifelter Entschluß ist. Es bleibt mir kein anderes Mittel übrig, um nicht auf der einen oder andern Seite von Berlin abgeschnitten zu werden. Ich will den muthlosen Truppen Branntwein geben lassen, und durch dieses Mittel ihnen mehr Muth einzuflößen suchen, aber ich verspreche mir keinen Erfolg. Mein einziger Trost besteht darin, daß ich mit dem Degen in der Hand sterben werde. Leben Sie wohl, mein Lieber. Für die Zuneigung, die Sie gegen mich äußern, danke ich Ihnen. Sie können überzeugt sein, daß ich mich bis zum letzten Athemzuge dankbar daran erinnern werde."
Schon den 14ten antwortete der dem König innig ergebene d'Argens, theilnehmend, tröstend und ermuthigend:
"Sire. Es begegnet Ihnen Nichts, als was auch Cäsar und Türenne, und, mehr als ein Mal, dem großen Condé begegnet ist. Wenn Sie nur das über sich gewinnen, Sich fassen zu können, für Ihre Gesundheit zu sorgen, und die Hülfsquellen zu benutzen, die Ihre Einsichten Ihnen darbieten, so wird Alles in Kurzem wieder gut gemacht sein. Es schmerzt mich unendlich, daß ich jetzt nicht um Sie bin etc. Aber um Ihres Volks, um Ihres Ruhmes willen, der bei allen Widerwärtigkeiten, die Sie treffen können, unsterblich bleiben wird, überlassen Sie Sich nicht Gemüthsbewegungen,<386> die Ihrer Gesundheit schaden können, und dadurch Ihrem Volke nachtheiliger sind, als der Verlust mehrerer Schlachten. etc. Wo ist der Fürst, der Held, der nicht zuweilen dem Strome der Begebenheiten hätte weichen müssen, etc."
13. August 1759
Der König geht von Ötscher nach Reitwein, und mit den Truppen daselbst über die Oder. In Reitwein blieb der König bis den 16ten. Es hatten sich indeß eine Menge Versprengter wieder bei den Fahnen eingefunden, auch war der General Wunsch, der kurz vor der Schlacht die Russen aus Frankfurt vertrieben hatte und daselbst stehen geblieben war, nach der Schlacht aber die Stadt verlassen mußte, mit seinem Corps zum König gestoßen. Das Kleistsche Corps, welches in der Gegend von Anklam gegen die Schweden stand, erhielt Befehl, ebenfalls sich mit der Armee des Königs zu vereinigen, und von Berlin und Cüstrin wurden Geschütze und Munition herbeigeschafft, so daß die Armee bald wieder geordnet, verstärkt und mit allem Benöthigten versehen war, und der Feind nicht wagte, etwas Ernstliches gegen den König weiter zu unternehmen. Dennoch hielt derselbe seine Lage für so verzweifelt, daß er in der ersten Betäubung das Commando der Armee seinem Bruder Heinrich übergeben wollte, wie aus seinen nachstehenden Anordnungen hervorgeht. Sie kamen jedoch nicht zur Ausführung.
13. August 1759
In Reitwein schrieb der König "eine Instruction für den General Fink." "Der General Fink kriegt eine schwere Commission, die unglückliche Armee, so ich ihm übergebe, ist nicht mehr im Stande, mit den Russen zu schlagen. Haddick wird nach Berlin eilen, vielleicht Laudon auch; geht der General Fink diesen beiden nach, so kommen die Russen ihm in (den) Rücken, bleibt er an der Oder stehen, so kriegt er den Haddick diesseits, indessen so glaube, daß wenn Laudon nach Berlin wollte, Solchen könnte er unterwegs attaquiren und schlagen, solches, wo es gut geht, giebt dem Unglück einen Anstand und hält die Sachen auf. Zeit gewonnen, ist sehr<387> viel bei diesen desperaten Umständen, die Zeitung aus Torgau und Dresden, wird ihm Cöper mein Sekretär geben, er muß Meinen Bruder, den ich Generalissimus bei der Armee declariret, von Allem berichten. Dieses Unglück ganz wieder herzustellen geht nicht an, indessen was mein Bruder befehlen wird, das muß geschehen, an meinem Neveu muß die Armee schworen. Dieses ist der einzige Rath, den ich bei den unglücklichen Umständen im Stande zu geben bin, hätte ich noch Nesourcen, so wäre ich dabei geblieben. Friedrich."
14. August 1759
An den General von Schmettau, welcher um diese Zeit das Commando in Dresden hatte, schrieb der König, in Beziehung auf seine vorstehend erwähnten Anordnungen etc. unter andern aus Reitwein, nachdem er des erlittenen "Echec" erwähnt: "Da mir eine Krankheit zugestoßen ist, welche jedoch, wie ich glaube, keine schlimmen Folgen haben wird, habe ich indessen das Commando meiner Truppen dem General-Lieutenant von Fink gelassen, dessen Ordres Sie eben so auszuführen haben, als wenn sie unmittelbar von mir selbst kämen etc." Dabei sagt er ihm noch, daß wenn er in den Fall komme, sich unmöglich in Dresden halten zu können, er dahin sehen müsse, eine gute Capitulation und freien Auszug mit der ganzen Garnison, Kassen, Magazine, Lazarethe, und Allem, was der Armee gehört, zu erhalten etc. (Tempelhof III. 239).
16. August 1759
Der König in Madlitz (auf dem Wege von Reitwein nach Fürstenwalde). Hier schreibt der König an d'Argens: "Wir sind unglücklich gewesen, mein lieber Marquis, allein durch meine Schuld. Der Sieg war auf unserer Seite 387-+, er würde vollkommen gewesen sein, wenn unsere Infanterie nicht zu ungeduldig gewesen wäre, und zur Unzeit das Schlachtfeld<388> verlassen hätte. Der Feind marschirt heute nach Müllrose, um sich mit Haddick zu vereinigen. Die Russische Infanterie ist fast gänzlich aufgerieben. Alles, was ich von dem Reste meiner Armee zusammenbringen können, belauft sich auf 32000 Mann. Ich will mich ihnen in den Weg stellen und mich erwürgen lassen oder die Hauptstadt retten. Das, sollte ich meinen, wird man doch für keinen Mangel an Standhaftigkeit halten. Für den Erfolg stehe ich nicht. Hätte ich mehr als Ein Leben, ich würde es für mein Vaterland lassen. Mißlingt mir aber dieser Streich, so glaube ich, es hat weiter Nichts an mich zu fodern, und es wird mir erlaubt sein, an mich selbst zu denken. Alles hat sein Maaß. Ich trage mein Unglück ohne den Muth zu verlieren. Allein ich bin fest entschlossen, gleich nach diesem Streiche, wenn er fehlschlägt, mir einen Ausweg zu suchen, um nicht länger das Spiel irgend eines Zufalls zu sein. Ich weiß weder, wo Sie sind, noch, was aus Ihnen werden wird, allein sollte ich Ihnen etwas rathen, so wäre es, den Ausgang der Sache in Potsdam oder Brandenburg abzuwarten, und wie auch dieser sein mag, so erinnern Sie Sich eines Freundes, der Sie liebt, und bis zum letzten Augenblick schätzen wird.
Friedrich."
N. S. "Ich bin hier auf dem Gute des Majors Fink, eines Bruders vom Minister, wo die Kosacken geplündert haben, doch geht der Schaden nicht über einige hundert Thaler. Leben Sie wohl, mein Lieber, studiren Sie in dieser kritischen Zeit den Zeno, und lassen den Epikur ruhen."
18. August 1759
Der König in Fürstenwalde bis den 30sten.
Am 22sten schrieb er an d'Argens, von dem er inzwischen noch zwei Trost- und Ermuthigungsbriefe erhalten hatte:
"Sie machen einer Armee Lobsprüche, mein Lieber, die keine verdient hat. Die Soldaten haben gute Beine gehabt, davon zu laufen, hatten aber keine, den Feind anzugreifen 388-+.<389> Schlagen werde ich mich allerdings, doch hoffen Sie Nichts von dem Ausgange. Ich verspreche mir nichts Gutes davon. Meine unverletzliche Treue gegen mein Vaterland, die Ehre, die bringen mich dahin, Alles zu unternehmen. Allein zu diesen Empfindungen gesellt sich diesmal die Hoffnung nicht. Nur ein glücklicher Zufall kann uns retten. Gehen Sie in Gottes Namen nach Tangermünde, wo Sie wohl aufgehoben sein werden, und warten da ab, was das Schicksal über uns beschließen wird.
Morgen recognoscire ich den Feind; läßt sich was thun, so geschieht es übermorgen. Bleibt aber der Feind auf dem Frankfurter Weinberge stehen, so werde ich es gewiß nicht wagen, ihn anzugreifen.
Nein, die Marter des Tantalus, die Pein des Prometheus, die Strafe des Sisyphus sind nichts in Vergleich mit dem, was ich seit zehn Tagen leide. Der Tod ist süß gegen ein solches Leben. Haben Sie Mitleiden mit meinem Zustande, glauben Sie nur, daß ich noch viel schlimmere Dinge verberge, womit ich Niemand weder betrüben, noch beunruhigen mag, und daß ich Ihnen nicht den Rath geben würde, aus jenen unglücklichen Gegenden fortzugehen, wenn ich irgend einen Strahl von Hoffnung hätte. Leben Sie wohl, mein Lieber, beklagen Sie mich und erinnern Sie Sich eines Freundes, der Sie schätzt und Sie bis zum letzten Hauche seines unglücklichen Lebens lieben wird.
Friedrich 389-+."
<390>30. August 1759
Der König in Bornow im Amt Beeskow.
31. August 1759
In Waldau, zwischen Lübben und Lieberose.
B.
1. August 1759
Der Erbprinz von Braunschweig schlägt ein Corps Franzosen unter Brissac bei Gofeld.
1. August 1759
Schlacht bei Minden. Die Alliirten, unter Herzog Ferdinand von Braunschweig, schlagen die Franzosen, unter dem Marschall von Contades.
2. August 1759
Minden geht an die Alliirten über.
3. August 1759
Laudon vereinigt sich mit den Russen.
6. August 1759
Die Preußen übergeben Leipzig an die Reichstruppen.
8. August 1759
Stirbt der Kapellmeister Graun in Berlin.
9. August 1759
Die Alliirten nehmen Paderborn.
13. August 1759
Die Königin und der Hof flüchten nach Magdeburg.
15. August 1759
Der Preußische General Wolfers dorf übergiebt Torgau durch Capitulation an die Reichstruppen, unter dem Prinzen von Stolberg. Wolfersdorf's entschlossenes Benehmen gegen den Prinzen, als man bei'm Ausmarsch gegen die Capitulation verfuhr, zwangen ihn, diese genau zu erfüllen, und noch mehr zu bewilligen. (Tempelhof III. 234).
<391>15. August 1759
Der Preußische General von Horn übergiebt Wittenberg an die Reichstruppen unter von Kleefeld.
19. August 1759
Die Alliirten nehmen Cassel wieder.
27. August 1759
Der Preußische Oberst Brösicke, Commandant der kleinen Festung Peitz, capitulirt, und übergiebt den Platz an Haddick. Er erhielt freien Abzug nach Berlin.
28. August 1759
Der Preuß. General von Wunsch erobert Wittenberg wieder.
30. August 1759 bis 31. August 1759
Derselbe nimmt auch Torgau wieder.
September.
A.
15. September 1759
Der König in Waldau. Von hier schrieb der König am 15ten an den Minister von Finkenstein: "Wenn Sie denken, daß meine Sorgen aufgehört haben, so irren Sie Sich sehr. Ich kann mich nicht deutlicher erklären, als ich es schon gethan habe. Erinnern Sie Sich, was ich Ihnen im vorigen Jahre in Dresden gesagt habe, ich fürchte, es nur zu gut getroffen zu haben; indessen, man muß sich mit Standhaftigkeit waffnen, und da ich meine Partie auf jeden Fall genommen habe, erwarte ich ruhig die Ereignisse, welche dem Zufall herbeizuführen gefallen wird."
16. September 1759
Der König in Vetschau.
17. September 1759
In Cotbus. Den 17ten schreibt der König an d'Argens:
"Berlin ist wirklich außer Gefahr, die Russen stehen bei Guben und Forst; aber ich bin noch von entsetzlichen Beschwerden, Gefahren und Abgründen umringt. Es läßt sich sehr leicht sagen, mein lieber Marquis: man müsse den Krieg vertheidigungsweise führen; allein die Menge meiner Feinde ist so groß, daß mich die Roth zum Angreifen zwingt. Hier bin ich in einem Dreieck, wo mir die Russen zur Linken, Daun zur Rechten, und die Schweden im Rücken stehen. Führen Sie doch nun einen Vertheidigungskrieg, ich bitte Sie! Gerade das Gegentheil. Bis jetzt behaupte ich mich nur dadurch, daß ich Alles angreife, was ich kann, und mir kleine Vor<392>theile verschaffe, die ich so viel als möglich zu vervielfältigen suche.
Seit dem Kriege bin ich in dem Noviziat des Stoicismus; wenn das so fortdauert, so denke ich noch gleichgültiger und unempfindlicher zu werden, als Empedokles und Zeno selber. Nein, mein lieber Marquis, ich werde nicht von Ihnen verlangen, daß Sie zu mir kommen sollen. Wenn ich leben bleibe, so sehe ich Sie wahrscheinlich nicht eher wieder, als bis der Winter einen sichern Waffenstillstand auf sechs Monat bewirkt hat. Bis dahin wird viel Blut fließen, es werden sich eine Menge guter und schlimmer Vorfälle ereignen, durch welche sich unser Schicksal aufklären wird. Leben Sie wohl, ich umarme Sie, mein lieber Marquis."
19. September 1759
Der König in Pforten.
20. September 1759
In Schönewalde und Linderode bei Sorau. Aus letzterm Ort schreibt der König an Fouqué: "Mein Bruder hat 12000 Östreicher durchschlüpfen lassen, die sich mit den Russen bei Christianstadt vereinigt haben. Sie wollen Glogau belagern. Ich eile in vollem Fluge fort, um sie daran zu verhindern; aber ich bin schwach, habe nur 24000 Mann, die zwei Mal geschlagen worden sind, mehr brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Ich weiß nicht, weder wo Sie sind, noch in was für Umständen Sie Sich befinden. Wenn es Ihnen möglich ist, so schicken Sie mir Hülfe. Diese Truppen können über Pridemost marschiren. Daß man Glogau belagert, leide ich nicht, eher schlage ich mich, es falle auch aus, wie es wolle. So dachten die alten Ritter, und so denke auch ich. Morgen bin ich jenseits Sagan und übermorgen in Glogau. etc."
Der König konnte jedoch sein Vorhaben nicht so schnell ausführen, verschiedene Demonstrationen der Feinde hinderten ihn daran.
21. September 1759
Der König in Eckersdorf (Saganisch).
21. September 1759
Der König an Voltaire:
- etc. "Meine Lage ist nicht so verzweifelt, als meine<393> Feinde sie ausschreien. Ich werde meinen Feldzug noch gut endigen. Mein Muth ist nicht niedergeschlagen; aber ich sehe, daß es auf Frieden ankommt. Über diesen Gegenstand kann ich weiter Nichts bestimmen, als daß ich so viel Ehrgefühl habe, als zehn Personen. Selbst bei den äußersten Unfällen fühle ich mich unfähig, eine Handlung zu begehen, wodurch dasselbe auch nur im Mindesten gekränkt würde etc. - Ich verlange nichts mehr als den Frieden, aber er muß nicht entehrend sein etc. - Wäre ich ein Privatmann, so würde ich aus Liebe zum Frieden Alles abtreten, aber man muß die Denkart seines Standes annehmen. etc."
23. September 1759
Der König in Suckau.
24. September 1759
In Baunau. Hier nimmt der König, der nahen Feinde wegen, eine feste Stellung, und schreibt am 25sten an Fouqué: - etc. "Mit 21000 Mann hat ihr geschlagener und gemißhandelter Diener eine Armee von 50000 Mann verhindert ihn anzugreifen, und sie genöthigt, nach Neusalz zurückzugehen. etc."
B.
1. September 1759 bis 4. September 1759
Münster wird von den leichten Truppen der Alliirten berennt.
4. September 1759
Die Schweden erobern Swinemünde.
4. September 1759
General von Schmettau in Dresden sieht sich genöthigt zu capituliren. General Wunsch, der bald nachher zum Entsatz heranrückt, kommt nun zu spät.
5. September 1759
Leipzig geht an die Reichstruppen über.
5. September 1759
Starb in Cüstrin der General-Lieutenant August Friedrich von Ipenplitz, einer der tapfersten Generale der Armee, an den vielen in der Schlacht bei Kunersdorf erhaltenen Wunden.
8. September 1759
General Wunsch schlägt den Französischen General S t. André.
8. September 1759
Früh um halb 5 Uhr marschirt die Preußische Besatzung von Dresden mit allen Ehren frei aus, und nimmt Kassen, Geschütz etc. mit Auf der Elbe gingen 18 beladene Schiffe mit Preußischen Effecten etc. ab.
<394>13. September 1759
Der General Wunsch erobert Leipzig wieder.
16. September 1759
Die Schweden nehmen Wollin.
21. September 1759
Gefechte bei Korbitz. Fink und Hülsen behaupten ihre Stellung gegen die überlegene Macht der Östreicher und Reichstruppen.
25. September 1759
Prinz Heinrich überfällt bei Hoyerswerda den Östreichischen General Wehlen, und macht ihn mit 28 Officieren und 1700 Mann zu Gefangenen.
Oktober.
A.
2. Oktober 1759
Der König in Glogau.
3. Oktober 1759
In Zerbau.
4. Oktober 1759 bis 8. Oktober 1759
In Groß-Gaffron.
8. Oktober 1759
In Sophienthal. Hier wird der König krank.
9. Oktober 1759
oder 10ten? Der König an den Marquis d'Argens:
- etc. "Ich bin jetzt eben so weit, als ich vor acht Tagen war; allein der Feind wird nächstens aufbrechen, und macht schon alle Anstalten zum Abmarsche. Damit wird sich denn mein diesjähriger Feldzug gegen die Russen endigen. Doch wenn dies vorbei ist, habe ich noch ein gutes Stück Arbeit vor mir.
Ich bin krank, indessen dies soll mich nicht abhalten, so lange ich Kräfte habe, werde ich meinen Pflichten treu bleiben. Ich bin noch immer mit meiner Schrift über Karl XII. beschäftigt. Sie ist nur eine Kette von Betrachtungen, diese erfodern Sorgfalt und Bedachtsamkeit, und deswegen arbeite ich langsam. Ich fiel darauf, weil ich mich gerade in der Gegend befand, die Schulenburg durch seinen Rückzug merkwürdig gemacht hat. Mein Geist ist ganz voll militärischer Ideen, ich will ihn zerstreuen, aber er beschäftigt sich zu sehr mit diesen Gegenständen, als daß ich ihn jetzt auf etwas anders heften könnte. Nach dem Kriege will ich um eine Stelle im Invalidenhause anhalten. So weit ist es mit mir gekommen!
Wenn Sie mich je wiedersehen, so werden Sie mich sehr<395> alt finden; meine Haare werden grau, die Zahne fallen mir aus, und ohne Zweifel bin ich in Kurzem kindisch. Wir müssen unsere Kräfte nicht zu sehr anspannen, zu starke Anstrengung erschlafft sie. Sie wissen, was man von Blaise Pascal erzählt, und Sie selbst haben mir gesagt: Sie wären in Holland durch Bücherschreiben so erschöpft worden, daß Sie einer langen Ruhe bedurft hätten, um Sich wieder zu erholen. Ihr Vorgänger Bayle hat eben das erfahren. Mit mir, der ich nicht werth bin, Ihnen die Schuhriemen aufzulösen, ist es zwar noch nicht so weit gekommen, aber doch fühle ich, daß meine Schwachheiten zunehmen, und meine Kräfte schwinden. Unvermerkt verliere ich das Feuer, das man nöthig hat, um mein Handwerk gut zu treiben. Wir haben noch einen langen Monat vor uns, ehe dieser Feldzug zu Ende geht, und man wird nun sehen müssen, was der Winter mitbringt. Schicken Sie mir indessen Vertot's Revolutionen des Römischen Reichs und Schwedens. Vergessen Sie Ihre Freunde im Fegefeuer nicht, und sein Sie von meiner Achtung und Freundschaft überzeugt. Leben Sie wohl. etc."
25. Oktober 1759
An Ebendenselben. Der König meldet ihm, daß er krank sei, und ladet ihn ein, zu ihm zu kommen, und Noel (Küchenmeister) mitzubringen, vielleicht, daß der ihm wieder zu Kräften hilft etc.
26. Oktober 1759
An Ebendenselben:
"Ihren Brief, mein lieber Marquis, erhielt ich unter den Martern der Gicht, und erinnerte mich, daß der Philosoph Posidonius, als Pompejus bei seiner Reise durch Athen ihn fragen ließ, ob er ihn, ohne ihm beschwerlich zu sein, hören könnte, zur Antwort gab: Man soll nicht sagen, ein so großer Mann, wie Pompejus, wolle mich hören, und die Gicht hindere mich daran. Und nun hielt er vor dem Pompejus eine schöne Rede über die Verachtung des Schmerzes, und rief bisweilen aus: O Schmerz, was Du auch immer thun<396> magst, ich werde doch nicht gestehen, daß Du ein Übel bist. Diesem Philosophen ahme ich nach, und antworte Ihnen, der Sie einen bessern Charakter haben, wie alle Pompejusse zusammengenommen.
Sie wollen meine Krankheit wissen, mein Lieber? Ich bin am linken Arm, an beiden Füßen und am rechten Knie gelähmt; und mit der rechten Hand, dem einzigen Gliede, das ich jetzt noch brauchen kann, schreibe ich Ihnen, und bitte Sie, nach Glogau zu kommen. Morgen lasse ich mich nach Koben bringen, welches eine halbe Meile von hier ist. Alle die verschiedenen Unfälle, Widerwärtigkeiten und Krankheiten, den häufigen Verlust von Freunden, und meine Unfähigkeit, dann, wenn es nöthig wäre, thätig zu sein, dürfen Sie nur zusammennehmen, so werden Sie begreifen, daß man dabei eben nicht fröhlich sein kann. Sie haben nichts zu fürchten, die Russen gehen nach Posen, und von da nach Thorn. Der Weg über Berlin, Frankfurt und Crossen, bis hierher, ist sicher, also können Sie reisen, wie mitten im Frieden. Leben Sie wohl, mein Lieber, meine große Schwachheit hindert mich, mehr zu schreiben."
27. Oktober 1759
Der König in Koben, wohin er sich hatte tragen lassen.
B.
12. Oktober 1759
Vertrag zu Bütow mit den Russen, wegen Auswechselung der Gefangenen.
29. Oktober 1759
Die Generale Wunsch und Rebentisch schlagen bei Pretzsch die Östreicher, und nehmen den General Gemmingen, Oberst Haller, noch 280 Officiere und 1400 Mann gefangen.
November.
A.
1. November 1759
Der König in Glogau.
2. November 1759
In Sagau.
8. November 1759
In Triebel.
<397>9. November 1759
In Spremberg.
10. November 1759
In Hörlitz.
11. November 1759 bis 12. November 1759
In Elsterwerda. Von hier schreibt der König am 12ten an d'Argens: "Ich habe mich hierher schleppen lassen, mein lieber Marquis. Morgen komme ich zu meiner Armee. Daun und seine Östreicher werden, wie ich mir schmeichle, nicht bemerken, daß ich die Gicht habe. In acht Tagen, hoffe ich, wird Sachsen ganz von Feinden gereinigt und Alles ruhig sein. Sind Sie dann wohl auf, und können einen hermetisch verschlossenen Wagen finden, so werden Sie mir ein Vergnügen machen, wenn Sie zu mir nach Dresden 397-+ kommen, da will ich mein Quartier nehmen und Ihnen eine Wohnung besorgen etc."
13. November 1759
Der König in Hirschstein. Hier vereinigt sich der Prinz Heinrich mit seiner Armee mit dem König.
14. November 1759 bis 17. November 1759
In Körgis.
15. November 1759
Schreibt der König eine Epistel an d'Argens:
"Marquis, was für ein Wechsel traf mich jetzt!
Mich armen, mich profanen Mann, der nur
So selten an die heil'gen Stätten kommt!
Mich, den der Knechte Gottes heil'ger Knecht,
Der mich verdammt, und in den Bann mich thut,
Mit keinem Hut und Brief begnadigt hat 397-++ etc.
Mich opferte Fortunas Unbestand
Für meine Nebenbuhler auf; doch nun
Ist unverhofft ihr Groll auf sie gekehrt,
Und ich, ich schwimme wieder oben auf. etc."
(Fortuna hatte den König wieder getäuscht, denn bald nachher geschah das Unglück bei Maxen. Der König schrieb nachher unter diese Epistel: "Sechs Tage vor dem Vorfall bei Maxen").
S. weiter unten.
17. November 1759 bis 18. November 1759
Der König von Körgis nach Limbach und Wilsdruf. (Ein Brief des Königs an Voltaire ist überschrieben: Wilsdruf den 17ten, eine Kabinetsordre an Fink: Körgis, den 17ten, und eine andere an Ebendenselben: Limbach, den 18ten).
17. November 1759
Der König schreibt aus Wilsdruf an Voltaire einen sehr langen Brief heitern Inhalts - viele Strophen in Versen etc., Nichts wesentlich Wichtiges über seine Lage etc. (Hinterl. Werke IX. 212).
19. November 1759
An Voltaire aus Wilsdruf:
- etc. "Wofern dieser Krieg nur noch kurze Zeit fortgesetzt wird, so fällt unser Europa in die Finsterniß der Unwissenheit zurück, und unsere Zeitgenossen werden wieder den wilden Thieren gleich. Es ist Zeit, diesen Abscheulichkeiten Einhalt zu thun. Alle diese Unfälle sind eine Folge des Ehrgeizes von Östreich und Frankreich. Mögen sie ihren weitaussehenden Entwürfen Schranken setzen, mögen sie, wo nicht durch Vernunft, doch wenigstens durch die Erschöpfung etc. klug werden. Möchte doch Schamröthe ihre Stirn bedecken, wenn sie erfahren, daß der Himmel, der den Schwachen gegen die gewaltigen Angriffe der Mächtigen beistand, den erstern Mäßigung verliehen hat, ihr Glück nicht zu mißbrauchen, und ihnen Frieden anzubieten. Mehr kann ein armer, ermüdeter, abgejagter, zerkratzter, gebissener, lahmer und überall aufgeborstener Löwe Ihnen nicht sagen. Ich habe noch alle Hände voll zu thun, und werde Ihnen nicht eher mit ruhigem Gemüth schreiben können, als nach meiner Ankunft in Dresden, etc."
22. November 1759
Der König an d'Argens:
"Mit meiner Schrift (über Karl XII.) können Sie ver<399>fahren, wie Sie es für gut finden. Das Unglück, das dem General Fink so eben widerfahren ist, hat mich so betäubt, daß ich mich noch nicht von meiner Bestürzung erholen kann. Dadurch kommen alle meine Maßregeln in Unordnung, und es geht mir tief ans Herz. Das Mißgeschick verfolgt mein Alter, und hat mich seit meinem Marsch nach Sachsen begleitet. So lange es mir möglich sein wird, werde ich dagegen kämpfen.
Die kleine Hymne an die Fortuna (Epistel vom 15. Novbr.) die ich Ihnen geschickt habe, war zu voreilig verfertigt, vor dem Siege muß man nicht Victoria rufen. Ich bin von den Unglücksfällen und Widerwärtigkeiten, die mir begegnen, so abgemattet, daß ich mir tausend Mal den Tod wünsche, und es von Tage zu Tage müder werde, einen abgenutzten, zum Leiden verdammten Körper zu bewohnen.
Ich schreibe Ihnen in dem ersten Augenblick des Schmerzes; Bestürzung, Gram, Unwille, Verdruß nagen insgesamt an meiner Seele. Wir wollen nun das Ende dieses abscheulichen Feldzugs abwarten, dann schreibe ich Ihnen, was aus mir selbst wird, und wir verabreden das Übrige. Haben Sie Mitleiden mit meinem Zustande, und machen Sie kein Gerede davon; böse Nachrichten breiten sich von selbst zeitig genug aus. Leben Sie wohl, mein lieber Marquis. Quando avra fine il mio tormento!"
28. November 1759
An Ebendenselben (aus Wilsdruf):
- etc. "Da hätten denn die Hannoveraner Münster erobert, und man versichert auch, daß die Franzosen am 25sten von Gießen aufgebrochen sind, um über Friedberg zu marschiren und über den Rhein zurückzugehen. Und Wir? wir kantoniren hier dem Feinde gegenüber in den Dörfern. Das letzte Bund Stroh und der letzte Bissen Brod werden entscheiden, wer von uns beiden in Sachsen bleibt. Da die Östreicher außerordentlich beschränkt sind, und Nichts aus Böhmen ziehen können, so hoffe ich, daß sie zuerst aufbrechen<400> werden. Geduld also bis an's Ende! Wir müssen sehen, wie dieser höllische Feldzug ablaufen wird. In diesem Jahre erschöpfe ich meine ganze Philosophie. Es vergeht kein Tag, an welchem ich nicht meine Zuflucht zu Zeno's Unempfindlichkeit nehmen müßte. In die Länge wird dies hart, das gestehe ich Ihnen. Epikur ist der Philosoph der Menschheit, Zeno der Philosoph der Götter und ich - ein Mensch.
Seit vier Jahren bin ich im Fegefeuer; wenn es ein künftiges Leben giebt, so wird mir der ewige Vater das, was ich in dieser Welt gelitten habe, anrechnen müssen. Ein jeder Stand erfährt Widerwärtigkeiten und Unglück, ich muß, so wie ein Anderer, meine, obgleich sehr schwere, Bürde tragen, und rufe mir zur es wird vorübergehen, wie unsere Freuden, unsere Neigungen, unsere Leiden, unser Glück. Leben Sie wohl, lieber Marquis. Meine Briefe werden Ihnen sehr melancholisch vorkommen; aber wahrlich, ich kann Ihnen keine anderen schreiben. Wenn der Geist unruhig und bekümmert ist, so sieht man Nichts rosenfarben. Ich umarme Sie, und wünsche Sie bald wieder zu sehen."
29. November 1759
An Ebendenselben (aus Wilsdruf):
"Endlich hoffe ich einmal, Sie wieder zu sehen, allein ich schmeichle mir mit diesem Vergnügen erst nach vier Wochen, denn so viel Zeit gebe ich Ihnen zu dieser großen Reise. Es steht ein Zimmer zu Ihrer Aufnahme bereit, ohne Zugwind, gut geheizt, ganz nahe dem meinigen, das Sie ohne Überrock und ohne Tuch vor dem Munde werden erreichen können. Ich habe hier eine ungeheure Rolle von Kupferstichen, die Ihnen bei Ihrer Ankunft vorgelegt werden soll. Auch zeigt malt hier die Gallerie des Königs von Polen, die sehr schön ist. Einen Sachsen sieht man nicht. Sie haben eine katholische Kirche gerade vor Ihren Augen, wo herrliche Musik gemacht wird. Wenn dies Alles Ihre Neugierde nicht anzuködern vermag, so muß ich hinzusetzen, daß wenn Sie<401> hierher kommen, Sie Ihren aufrichtigsten Verehrer finden werden, der entzückt sein wird, Sie wieder zu sehen. Ich habe vergessen zu sagen, daß Sie hier auch die Fee Carabosse, die rothe Meerkatze, den gelben Zwerg und ein Serail von alten Hexen finden werden, die man sonst nur noch im Bojardo sieht."
30. November 1759
Der König in Freiberg.
B.
9. November 1759
Subsidien-Traktat Englands mit Preußen.
20. November 1759
Unglückliches Treffen bei Maren gegen die Östreicher unter Daun (die Corps der Generale Sincere und Brentano). Sie waren an 50000 Mann stark, und schlossen die Preußen gänzlich ein, daß sie sich nach der tapfersten Gegenwehr ergeben mußten. Nach Tielke I. 24 wurden gefangen: der General-Lieutenant von Fink, die General-Majors von Rebentisch, von Lindstädt, von Mosel, von Platen, von Vasold, von Bredow, von Gersdorf; auch von Wunsch, obgleich er sich durchgeschlagen hatte, mußte doch, gemäß der Capitulation, zurückkehren, und die Gefangenschaft theilen. Außer diesen wurden noch gefangen: 540 Officiere, nach den Östreichischen Listen überhaupt 14922 Mann. Auch gingen verloren: 3 Paar silberne und 1 Paar kupferne Pauken, 24 Standarten, 96 Fahnen, 71 Geschütze und 44 Munitions-Wagen.
Nach andern, wahrscheinlich richtigern Angaben betrug die Zahl der in Gefangenschaft gerathenen Unterofficiere und Gemeinen nur 10-12000 Mann.
20. November 1759
An demselben Tage richtet der Englische Admiral Hawke auf der Höhe von Quiberon die ganze furchtbare Flotte der Franzosen gänzlich zu Grunde.
20. November 1759 bis 21. November 1759
Die Alliirten erobern Münster.
25. November 1759
Preußen und England machen Friedensanträge durch den Prinzen Ludwig von Braunschweig an die Minister des Wiener, Petersburger und Pariser Hofes in Holland.
<402>26. November 1759
Die Königin und die verwittwete Prinzessin von Preußen kehren aus Magdeburg nach Berlin zurück.
30. November 1759
Der Erbprinz von Braunschweig schlägt den Herzog von Würtemberg bei Fulda.
Dezember.
A.
3. Dezember 1759
Der König in Wilsdruf.
6. Dezember 1759
In Freiberg.
13. Dezember 1759
Der König an d'Argens:
"Mein göttlicher Marquis, werden Sie wohl, nachdem Sie 8 Monate im Bette zugebracht, und jetzt doch ausgeruht haben müssen, Sich entschließen können, den Winter in Schlesien mit mir zuzubringen, sobald dort alles in Ruhe ist? Was wird siegen, die Freundschaft oder die Faulheit? Ich erwarte Ihre Antwort mit Ungeduld. In der That, Sie thun ein Werk der Barmherzigkeit, wenn Sie mich besuchen. Ich bin ohne Gesellschaft und ohne Beistand. Können Sie Sich zu diesem großen Entschlüsse ermannen, der einer schönen Seele, wie der Ihrigen, so würdig ist, so werde ich Ihnen Ihre Reiseroute schicken, und Sie so lange in Glogau absetzen lassen, bis ich Ihnen im Januar bei mir zu Breslau Ihre Wohnung anweisen kann. Das soll Ihnen so angerechnet werden, als hätten Sie den ganzen harten Feldzug mitgemacht, und ich will es im Angesicht der Welt gestehn, daß diese Anstrengung mehr werth ist, als wenn Sie sechs Schlachten gewonnen hätten. Erinnern Sie Sich, was jener belobte Hebräische König sagt, jener weise König, der tausend Weiber hatte: Wer sich selbst bezwingt, ist stärker, als wer Städte erobert. Gewiß sind Sie dieser starke Mann, und werden mir den Trost wohl gönnen, den ich in Ihrer Gesellschaft finde. Ich werde Ihnen Jemand zuschicken, um Sie zu geleiten, und werde für Pferde und alle Ausgaben sorgen. Nun frisch, mein lieber Marquis, fassen Sie Herz, wir wol<403>len alle Zugwinde verbannen, ich werde Baumwolle, Pelze, Überröcke, kurz alles bereit halten, um Sie wohl einzupacken. Sie sollen das schöne Grabmahl des Bernini in der Kathedral-Kirche sehen, wenn Sie anders Lust dazu haben, und werden alle ersinnliche Bequemlichkeit finden. Es wird von Ihnen abhängen, auch Frau von Argens mitzubringen. Leben Sie wohl, mein lieber Marquis, ich erwarte Ihre Antwort, wie ein Verbrecher sein Urtheil oder seine Begnadigung. etc."
16. Dezember 1759
An Ebendenselben:
"An dem gedruckten Exemplar 403-+, das mir von Ihnen zugeschickt worden ist, lieber Marquis, konnte ich wohl merken, daß Sie das Fieber gehabt haben; es ist so voll Fehler, daß Sie es verbessert zurückbekommen. Lassen Sie den Aufsatz noch einmal drucken, und werfen Sie diese 20 Exemplare in's Feuer. Die Leute sind so ungeschickt, daß sie meinen Sinn durch die gröbsten Fehler ganz verändert haben. Der kleine Beausobre 403-++ könnte wohl etwas mehr Aufmerksamkeit darauf wenden. Hätten die Hunnen und Gothen Buchdrucker gehabt, sie würden es nicht schlechter gemacht haben. Sie sprechen viel von den Franzosen und ihren Verlust; freilich ist dieser offenbar, aber deswegen können wir doch nicht gewiß auf den Frieden rechnen. Meine Umstände sind noch immer schlimm genug. Ich bekomme jetzt Verstärkung, aber der Schnee fällt hier so häufig und in so großer Menge, daß es fast unmöglich ist, die Truppen gegen den Feind agiren zu lassen. So ist meine Lage; ich bin auf allen Seiten von Schwierigkeiten, Verlegenheiten und Gefahren umringt. Wenn ich nun zu dem Allen die Treulosigkeiten der Glücksgöttin, von denen ich in diesem Feldzuge so viele Beweise<404> bekommen habe, hinzurechne, so wage ich es nicht, mich in meinen Unternehmungen auf sie zu verlassen, auf meine Kräfte auch nicht; also bleibt mir bloß das Ungefähr übrig, und ich hoffe nur auf die Verkettung der Mittelursachen. Wenn der Aufsatz abgedruckt ist, so haben Sie die Güte, mir 3 Exemplare zu schicken. Der Graf Fink 404-+ wird sie an mich besorgen; seine Packete werden die Kouriere wohl annehmen.
Leben Sie wohl, mein lieber Marquis; ich weiß weder, wann meine Abenteuer sich endigen, noch wann ich Sie wiedersehen, aber zuverlässig, daß ich Sie stets lieben werde."
23. Dezember 1759
An Ebendenselben:
"Nein, nein, Marquis, die Art wie Du
Mein Werkchen an das Licht gestellt,
Und wie ich selber Krieg geführt,
Sind geradezu einander werth,
Und alle beide ganz gewiß
Für Deutschland nicht sehr ehrenvoll.
So wollen wir von Neuem denn
Die Arbeit jetzt und besser thun;
Und denken, daß dies Opfer noch
Die Enkelwelt von uns bekommt.
Ich habe es Ihnen gleichgethan, noch mehr den Aufsatz verbessert, mit dem Originale verglichen, und Ihnen wiedergeschickt.
Ich hoffe mehr als jemals, die Östreicher werden nach Böhmen zurückgehen, und wir endlich in wenigen Tagen den unglücklichsten und härtesten Feldzug endigen können, den ich in meinem Leben gethan habe. Mein Neffe rückt mit einer großen Verstärkung an, und der Feind macht Anstalten, die zu erkennen geben, daß sein Rückzug nahe ist. Von den Qualen, die ich einen vollen Monat hindurch ausgestanden<405> habe, und von allen den Unbequemlichkeiten, die mit dieser abscheulichen Lage verbunden waren, schweige ich. Ich bin es so müde, mich über das Glück zu beklagen daß ich ihm aus Verdruß alle Vorwürfe schenke.
Sehen Sie zu, mein Lieber, daß Sie mir das Dictionaire encyclopédique verschaffen; ich möchte es gern für den Winter haben. Was während desselben aus mir werden wird, sage ich Ihnen nicht, weil ich es, auf Ehre, selbst nicht weiß.
Leben Sie wohl, lieber Marquis; ich wünsche Ihnen Gesundheit, Frieden und Zufriedenheit. etc."
29. Dezember 1759
Der König in Pretschendorf.
31. Dezember 1759
An d'Argens:
"Ich fange damit an, mein lieber Marquis, Ihnen ein glückliches Neujahr zu wünschen, mit der Versicherung, daß von allen Wünschen, die Ihretwegen geschehen, keine aufrichtiger als die meinigen sind. Ich für mein Theil habe alles Vertrauen zu meinem Glück verloren. Ich habe alles Menschmögliche gethan, um den Feind durch List, Vorspiegelungen und Diversionen aus Sachsen heraus zu schaffen, ohne im geringsten etwas ausgerichtet zu haben. Es bleibt mir also nichts übrig, als den Winter durch dem Feinde gegenüber zu kantoniren, ohne mich von meiner bisherigen Stelle zu rühren, mithin Hab' ich nichts vor mir, als eine häßliche Aussicht in die Zukunft. Ihr Prophet, mein Lieber, mag sagen, was er will, seine Kunst ist Nichts, und wer ihm glauben wollte, müßte leichtgläubiger sein als ich. Man hilft den Prophezeihungen dieser Leute nach, und sieht zu, wie man dergleichen aufs Gerathewohl hingeplauderte Dinge mit wirklichen Ereignissen reimen kann. Ich, der ich nach dem urtheile, was ich vor Augen habe, sehe lauter gräuliche Dinge in der Zukunft, denen meine Standhaftigkeit nicht gewachsen ist. Machen Sie aus meinem Werke, was Ihnen beliebt; es verdient keine Aufmerksamkeit. Ich bin des Lebens nie so satt und<406> überdrüßig gewesen, wie jetzt. Nennen Sie das Hypochondrie, oder wie Sie wollen, ich lasse mir alles gefallen. Doch die vergangenen und gegenwärtigen Übel, und besonders, was ich noch davon vor mir sehe, das Alles kann Jedem in einer so harten Lage, wie die meinige, wohl das Leben verleiden. Ich seufze im Stillen, das ist Alles, was ich thun kann. Ihre Phantasie mag ich nicht weiter verfinstern; ich sehe schwarz, mein Kummer gehört mir allein, ich muß ihn tragen und nicht mittheilen. Ich umarme Sie, mein lieber Marquis, und versichere Sie meiner vollkommenen Freundschaft. Leben Sie wohl.
Friedrich.
Dem Vergnügen, Sie zu sehen, entsag' ich; das wird jetzt unmöglicher als jemals."
Von des Königs kleinen Aufsätzen (fliegenden Blättern) erschienen in diesem Jahre: Schreiben der Marquise von Pompadour an die Königin von Ungarn. (Suppl. III. 241).
Über die Lobrede auf den etc. Reinhard, welche Einige auch in dieses Jahr setzen; siehe oben bei'm Monat Oktober 1758.
Wahrscheinlich sind auch die beiden Aufsätze: Über die Satyriker, und: Über Schmähschriften, aus diesem Jahre. (Friedrich's bei seinem Leben gedruckte Werke. Deckersche Ausgabe. II. 240, 255).
B.
2. Dezember 1759
Die Prinzessin Amalie kommt von Magdeburg nach Berlin zurück.
3. Dezember 1759
Der General von Vierecke wird von dem Östreichischen General von Beck bei Meissen mit großer Übermacht angegriffen und mit 1500 Mann gefangen genommen.
In Berlin ist dies Jahr kein Carneval.
387-+ Hierüber muß nachgelesen werden: Seidel's - eines Augenzeugen - Kurze Nachricht etc. (s. oben) - Tempelhof III. 223 - Kriele S. 30 etc. - Gesch. des siebenj. Krieges vom Generalstab etc. III. 99-105.
388-+ Man vergesse hier nicht, daß großes, anhaltendes Unglück oft ungerecht macht. Der König hat auch bei dieser Unglücksschlacht der Tapferkeit und Hingebung seiner Truppen Gerechtigkeit widerfahren lassen (s. oben seinen Brief an Finkenstein vom 12. August). Wer wird nicht dem Könige in seiner schrecklichen Lage eine Äußerung zu gut halten, die er vielleicht in einem Moment des höchsten Unmuths etc. niederschrieb.
389-+ Hoffentlich wird es Niemand tadeln, daß wir bei dieser Katastrophe umständlichere Auszüge aus andern Schriften von und über Friedrich d. Gr. mitgetheilt haben. Der Zweck aller Auszüge, die wir in diesem Tagebuche liefern, ist, wie wir schon in der Einleitung, im ersten Heft (welche wir überhaupt nachzulesen bitten) S. 7 ausgesprochen haben - ein treues Bild von der Denk- und Handlungsweise des großen Königs in jeder Beziehung und unter den verschiedensten Umständen etc. aus seinen eigenen schriftlichen und mündlichen Äußerungen und Geständnissen darzustellen. - Und wo tritt der Geist und der wahre Charakter des Menschen am Klarsten hervor, wo bewährt er sich am meisten, als zur Zeit des Unglücks? Wo legen sich alle Falten des Herzens offener dar, als in den vertraulichen Ergießungen der innersten Gefühlen gegen den theilnehmenden Freund?
Bei diesem freundschaftlichen Briefwechsel verlor der König keinen Augenblick die Hauptsache aus den Augen; ein weit größerer Briefwechsel fand täglich mit seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, mit Fouqué und andern Generalen Statt; seine Thätigkeit war gränzenlos.
397-+ Dresden war schon vor 3 Wochen in Feindes Hände gefallen. Es war also wohl die Einladung nur bitterer Scherz? oder vielleicht glaubte er auch es bald wieder zu erobern, wie aus einem Brief an Voltaire vom 19ten hervorzugehen scheint.
397-++ Bekanntlich soll Daun vom Pabst einen geweihten Hut erhalten haben.
403-+ Über Karl XII.
403-++ M. s. des Königs Brief an Jordan, vom 13. April 1739 im 7. Band.
404-+ Der damalige Königl. Staats- und Kabinetsminister, Karl Wilhelm, Graf von Finkenstein.