Dezember.
A.
3. Dezember 1759
Der König in Wilsdruf.
6. Dezember 1759
In Freiberg.
13. Dezember 1759
Der König an d'Argens:
"Mein göttlicher Marquis, werden Sie wohl, nachdem Sie 8 Monate im Bette zugebracht, und jetzt doch ausgeruht haben müssen, Sich entschließen können, den Winter in Schlesien mit mir zuzubringen, sobald dort alles in Ruhe ist? Was wird siegen, die Freundschaft oder die Faulheit? Ich erwarte Ihre Antwort mit Ungeduld. In der That, Sie thun ein Werk der Barmherzigkeit, wenn Sie mich besuchen. Ich bin ohne Gesellschaft und ohne Beistand. Können Sie Sich zu diesem großen Entschlüsse ermannen, der einer schönen Seele, wie der Ihrigen, so würdig ist, so werde ich Ihnen Ihre Reiseroute schicken, und Sie so lange in Glogau absetzen lassen, bis ich Ihnen im Januar bei mir zu Breslau Ihre Wohnung anweisen kann. Das soll Ihnen so angerechnet werden, als hätten Sie den ganzen harten Feldzug mitgemacht, und ich will es im Angesicht der Welt gestehn, daß diese Anstrengung mehr werth ist, als wenn Sie sechs Schlachten gewonnen hätten. Erinnern Sie Sich, was jener belobte Hebräische König sagt, jener weise König, der tausend Weiber hatte: Wer sich selbst bezwingt, ist stärker, als wer Städte erobert. Gewiß sind Sie dieser starke Mann, und werden mir den Trost wohl gönnen, den ich in Ihrer Gesellschaft finde. Ich werde Ihnen Jemand zuschicken, um Sie zu geleiten, und werde für Pferde und alle Ausgaben sorgen. Nun frisch, mein lieber Marquis, fassen Sie Herz, wir wol<403>len alle Zugwinde verbannen, ich werde Baumwolle, Pelze, Überröcke, kurz alles bereit halten, um Sie wohl einzupacken. Sie sollen das schöne Grabmahl des Bernini in der Kathedral-Kirche sehen, wenn Sie anders Lust dazu haben, und werden alle ersinnliche Bequemlichkeit finden. Es wird von Ihnen abhängen, auch Frau von Argens mitzubringen. Leben Sie wohl, mein lieber Marquis, ich erwarte Ihre Antwort, wie ein Verbrecher sein Urtheil oder seine Begnadigung. etc."
16. Dezember 1759
An Ebendenselben:
"An dem gedruckten Exemplar 403-+, das mir von Ihnen zugeschickt worden ist, lieber Marquis, konnte ich wohl merken, daß Sie das Fieber gehabt haben; es ist so voll Fehler, daß Sie es verbessert zurückbekommen. Lassen Sie den Aufsatz noch einmal drucken, und werfen Sie diese 20 Exemplare in's Feuer. Die Leute sind so ungeschickt, daß sie meinen Sinn durch die gröbsten Fehler ganz verändert haben. Der kleine Beausobre 403-++ könnte wohl etwas mehr Aufmerksamkeit darauf wenden. Hätten die Hunnen und Gothen Buchdrucker gehabt, sie würden es nicht schlechter gemacht haben. Sie sprechen viel von den Franzosen und ihren Verlust; freilich ist dieser offenbar, aber deswegen können wir doch nicht gewiß auf den Frieden rechnen. Meine Umstände sind noch immer schlimm genug. Ich bekomme jetzt Verstärkung, aber der Schnee fällt hier so häufig und in so großer Menge, daß es fast unmöglich ist, die Truppen gegen den Feind agiren zu lassen. So ist meine Lage; ich bin auf allen Seiten von Schwierigkeiten, Verlegenheiten und Gefahren umringt. Wenn ich nun zu dem Allen die Treulosigkeiten der Glücksgöttin, von denen ich in diesem Feldzuge so viele Beweise<404> bekommen habe, hinzurechne, so wage ich es nicht, mich in meinen Unternehmungen auf sie zu verlassen, auf meine Kräfte auch nicht; also bleibt mir bloß das Ungefähr übrig, und ich hoffe nur auf die Verkettung der Mittelursachen. Wenn der Aufsatz abgedruckt ist, so haben Sie die Güte, mir 3 Exemplare zu schicken. Der Graf Fink 404-+ wird sie an mich besorgen; seine Packete werden die Kouriere wohl annehmen.
Leben Sie wohl, mein lieber Marquis; ich weiß weder, wann meine Abenteuer sich endigen, noch wann ich Sie wiedersehen, aber zuverlässig, daß ich Sie stets lieben werde."
23. Dezember 1759
An Ebendenselben:
"Nein, nein, Marquis, die Art wie Du
Mein Werkchen an das Licht gestellt,
Und wie ich selber Krieg geführt,
Sind geradezu einander werth,
Und alle beide ganz gewiß
Für Deutschland nicht sehr ehrenvoll.
So wollen wir von Neuem denn
Die Arbeit jetzt und besser thun;
Und denken, daß dies Opfer noch
Die Enkelwelt von uns bekommt.
Ich habe es Ihnen gleichgethan, noch mehr den Aufsatz verbessert, mit dem Originale verglichen, und Ihnen wiedergeschickt.
Ich hoffe mehr als jemals, die Östreicher werden nach Böhmen zurückgehen, und wir endlich in wenigen Tagen den unglücklichsten und härtesten Feldzug endigen können, den ich in meinem Leben gethan habe. Mein Neffe rückt mit einer großen Verstärkung an, und der Feind macht Anstalten, die zu erkennen geben, daß sein Rückzug nahe ist. Von den Qualen, die ich einen vollen Monat hindurch ausgestanden<405> habe, und von allen den Unbequemlichkeiten, die mit dieser abscheulichen Lage verbunden waren, schweige ich. Ich bin es so müde, mich über das Glück zu beklagen daß ich ihm aus Verdruß alle Vorwürfe schenke.
Sehen Sie zu, mein Lieber, daß Sie mir das Dictionaire encyclopédique verschaffen; ich möchte es gern für den Winter haben. Was während desselben aus mir werden wird, sage ich Ihnen nicht, weil ich es, auf Ehre, selbst nicht weiß.
Leben Sie wohl, lieber Marquis; ich wünsche Ihnen Gesundheit, Frieden und Zufriedenheit. etc."
29. Dezember 1759
Der König in Pretschendorf.
31. Dezember 1759
An d'Argens:
"Ich fange damit an, mein lieber Marquis, Ihnen ein glückliches Neujahr zu wünschen, mit der Versicherung, daß von allen Wünschen, die Ihretwegen geschehen, keine aufrichtiger als die meinigen sind. Ich für mein Theil habe alles Vertrauen zu meinem Glück verloren. Ich habe alles Menschmögliche gethan, um den Feind durch List, Vorspiegelungen und Diversionen aus Sachsen heraus zu schaffen, ohne im geringsten etwas ausgerichtet zu haben. Es bleibt mir also nichts übrig, als den Winter durch dem Feinde gegenüber zu kantoniren, ohne mich von meiner bisherigen Stelle zu rühren, mithin Hab' ich nichts vor mir, als eine häßliche Aussicht in die Zukunft. Ihr Prophet, mein Lieber, mag sagen, was er will, seine Kunst ist Nichts, und wer ihm glauben wollte, müßte leichtgläubiger sein als ich. Man hilft den Prophezeihungen dieser Leute nach, und sieht zu, wie man dergleichen aufs Gerathewohl hingeplauderte Dinge mit wirklichen Ereignissen reimen kann. Ich, der ich nach dem urtheile, was ich vor Augen habe, sehe lauter gräuliche Dinge in der Zukunft, denen meine Standhaftigkeit nicht gewachsen ist. Machen Sie aus meinem Werke, was Ihnen beliebt; es verdient keine Aufmerksamkeit. Ich bin des Lebens nie so satt und<406> überdrüßig gewesen, wie jetzt. Nennen Sie das Hypochondrie, oder wie Sie wollen, ich lasse mir alles gefallen. Doch die vergangenen und gegenwärtigen Übel, und besonders, was ich noch davon vor mir sehe, das Alles kann Jedem in einer so harten Lage, wie die meinige, wohl das Leben verleiden. Ich seufze im Stillen, das ist Alles, was ich thun kann. Ihre Phantasie mag ich nicht weiter verfinstern; ich sehe schwarz, mein Kummer gehört mir allein, ich muß ihn tragen und nicht mittheilen. Ich umarme Sie, mein lieber Marquis, und versichere Sie meiner vollkommenen Freundschaft. Leben Sie wohl.
Friedrich.
Dem Vergnügen, Sie zu sehen, entsag' ich; das wird jetzt unmöglicher als jemals."
Von des Königs kleinen Aufsätzen (fliegenden Blättern) erschienen in diesem Jahre: Schreiben der Marquise von Pompadour an die Königin von Ungarn. (Suppl. III. 241).
Über die Lobrede auf den etc. Reinhard, welche Einige auch in dieses Jahr setzen; siehe oben bei'm Monat Oktober 1758.
Wahrscheinlich sind auch die beiden Aufsätze: Über die Satyriker, und: Über Schmähschriften, aus diesem Jahre. (Friedrich's bei seinem Leben gedruckte Werke. Deckersche Ausgabe. II. 240, 255).
B.
2. Dezember 1759
Die Prinzessin Amalie kommt von Magdeburg nach Berlin zurück.
3. Dezember 1759
Der General von Vierecke wird von dem Östreichischen General von Beck bei Meissen mit großer Übermacht angegriffen und mit 1500 Mann gefangen genommen.
In Berlin ist dies Jahr kein Carneval.
403-+ Über Karl XII.
403-++ M. s. des Königs Brief an Jordan, vom 13. April 1739 im 7. Band.
404-+ Der damalige Königl. Staats- und Kabinetsminister, Karl Wilhelm, Graf von Finkenstein.