Dezember.
A.
1. Dezember 1760
Der König in Meisten. An d'Argens :
"Catt ist angekommen, mein lieber Marquis, und hat mir Ihren Brief gebracht. Sie können versichert sein, daß die Hoffnung, die Sie mir darin machen, Sie wieder zu sehen, mich sehr erfreut hat. So gewiß, als es die Ungewißheit der Ereignisse, von denen ich abhänge, erlaubt, will ich Ihnen melden, daß ich ungefähr den 10ten in Leipzig zu sein rechne, daß ich dort ein Haus besprochen habe und ein daran stehendes durchbrechen lasse, damit Sie ohne die geringste Beschwerde zu mir kommen können. Auf wie Vieles Sie Sich auch sonst verstehen mögen, so weiß ich doch, welche Mühe es Ihnen macht, Ihre Reise Sich selbst zu besorgen. Um Ihnen nun diese großmüthige Anstrengung, die Sie mir zu Liebe unternehmen wollen, zu erleichtern, werde ich Ihnen einen Jäger schicken, der Sie führen soll. Die Marquise muß diese Reise mit machen. Wenn Sie wollen, können Sie ohne Gefahr bis zum Mai in Leipzig bleiben, und Sie kennen mich zu gut, um zu glauben, daß ich Sie da aufhalten würde, wenn Sie Ihrer Gesundheit wegen wieder nach Berlin zurück wollten. Allein wie lange ich mich da werde aufhalten können, dafür kann ich Ihnen mit Gewißheit nicht<64> stehen, weil ich mich sklavisch nach den Umständen richten muß, und mehr von meinen Feinden, als von mir selbst abhänge.
Ich mag in meinen Briefen nicht Alles erschöpfen, was ich mir vornehme, Ihnen mündlich zu sagen, und will mir von der Unterhaltung, die ich mir mit Ihnen verspreche, nicht das Beste voraus nehmen. Darum behalte ich Alles, was ich auf dem Herzen habe, bis wir in Leipzig sind. Leben, Sie wohl, lieber Marquis, ich werde Ihnen schreiben und einen Jäger schicken. Dieser Merkur wird Sorge tragen, daß Ihnen Nichts Schlimmes begegnet, und ich werde wie Horaz ausrufen: Liebes Schiff, das den d'Argens an die Ufer der Pleisse bringt etc. Das Uebrige wissen Sie."
3. Dezember 1760
Der König an Frau von Camas :
"In Wahrheit, mein liebes Mütterchen, Sie sind eine erfahrne Frau, und ich wünsche Ihnen Glück, daß Sie eine Wassersucht so haarscharf unterscheiden können. Das Abenteuer ist ein ganz gewöhnliches; da ist kein Hof, kein Nonnenkloster sogar, wo so was sich nicht ereignete. Ich, der ich mit den Schwachheiten meiner Gattung viel Nachsicht habe, ich steinige keineswegs die Ehren-Fräuleins, die Mutter werden. Sie pflanzen das Geschlecht fort, statt daß jene rohen und blutdürstigen Politiker durch ihre heillosen Kriege dasselbe zerstören. Und dann gestehe ich Ihnen, daß mir jene zu zärtlichen Gemüther unendlich lieber sind, als jene Keuschheitsdrachen, die beständig ihre Schwestern zerfleischen, oder jene hadersüchtigen Weiber, die von Grund aus schlecht und boshaft sind. Man erziehe sorgfältig das Kind, man entehre nicht eine Familie, und entferne ohne Aufsehen, und Aergerniß das arme Mädchen vom Hofe, und schone ihres Rufes so viel als möglich.
Wir werden Frieden bekommen, mein liebes Mütterchen, und ich freue mich recht darauf, mit Ihnen unter vier Augen zu lachen, wenn ich das Vergnügen haben werde, Sie<65> wieder zu sehen. Leben Sie wohl, mein liebes Mütterchen. Ich umarme Sie 65-+."
8. Dezember 1760
Der König von Meisten nach Leipzig. (Der Verf. des oben erwähnten Tagebuches sagt S. 89: Den 11. Decbr. verließ der König Meissen und nahm sein Hauptq. in Leipzig).
Hier in Leipzig, wo der König im Apelschen Hause, auf dem Neuen Neumarkt (Nr. 16) wohnte, blieb er den ganzen Winter hindurch. Bei ihm befanden sich: der Marquis d'Argens, Quintus Icilius, der Englische Gesandte Mitchel, von Catt und die Neffen des Königs, die Prinzen Friedrich Wilhelm und Heinrich, Söhne des verstorbenen Prinzen von Preußen August Wilhelm.
18. Dezember 1760
Der König läßt durch den Obersten Quintus Icilius 8) den Professor Gellert zu sich rufen, und es hatte an diesem Tage, Nachmittags von 4 bis 6 Uhr, die bekannte Unterredung des Königs (hauptsächlich über schöne Wissenschaften, Poesie, Beredsamkeit etc.) mit diesem Gelehrten Statt. Man findet sie in der kleinen Schrift: Zwei Briefe von Gellert und Rabener, Leipzig 1761, S.82; auch in der 9. Samml. der Anekdoten und Karakterzüge aus dem Leben Friedrichs des Zweiten, Berlin 1787.
65-+ Ein Hoffräulein hatte einen Fehltritt begangen, den Frau von Camas für eine Wassersucht hielt. Als sie ihren Irrthum gewahr ward, klagte sie sich selbst beim König der Unachtsamkeit an, und bat um Verhaltungsbefehle.