Mai.
A.
Mai 1767
Der König in Potsdam.
5. Mai 1767
Der König an d'Alembert :
"Sie dringen in mich, Ihnen zu sagen, was ich von den Zusätzen halte, die Sie Ihren Versuchen in der Litteratur beigefügt haben. Mich dünkt, ich schrieb Ihnen schon einmal, daß ich mich aus dem Theil Ihres Werkes belehrt habe, wo Sie geruhen, die erhabene Geometrie bis zu dem<287> Standpunkt meiner Unwissenheit herabzustimmen, und daß mir die weise Vorsicht ungemein wohlgefällt, womit Sie den metaphysischen Theil behandeln, weil dies die einzige Art ist, diese delikate und gefährliche Materie vorzutragen, daß man nicht einen ganzen Schwarm von Doctoren mit Anathemen und Verdammungen wider sich empört. Das Fach der schönen Wissenschaften leidet freiere Untersuchung; man darf über Geschichte, Dichtkunst und Musik Alles sagen, was man will, ohne die Inquisition zu fürchten, und da der Geschmack verschieden ist, so wird man schwerlich zwei Personen antreffen, deren Empfindungen durchgehends übereinstimmten. Ich z. B. habe mir es bei dem Studium der Geschichte zur Gewohnheit gemacht, sie von ihrem Anfang aufzunehmen und bis auf unsere Zeiten zu verfolgen; so wie man erst Grundsätze feststellt, ehe man Schlüsse daraus herleitet. In der Dichtkunst liebe ich Alles, was das Herz und die Einbildungskraft rührt, es sei Politik oder Fabel, und es würde mir leid thun, wenn man die Mythologie, die so viele Bilder liefert, daraus verbannen wollte. Ich will damit nicht sagen, daß man abgenutzte Bilder mißbrauchen soll; aber welche fruchtbare Quelle für ein schönes Genie gewährt diese Menge reizender Allegorien, in welche die Alten ihre physischen Kenntnisse einhüllten. Wenn Barbaren, wenn schwärmerische Priester die Bilder der Gottheiten des Heidenthums zerstörten, sollen denn auch Gelehrte im achtzehnten Jahrhundert gefühllos genug sein, um alles auch noch so Sinnreiche zu zertrümmern, was die Zeiten der Künste und des Geschmacks hervorgebracht haben? Kurz, des Dichters erste Pflicht ist : zu gefallen, dafür muß es ihm aber auch erlaubt sein, sich jedes Hülfsmittels zu bedienen, wenn er nur seinen Zweck erreicht.
Ich unterfange mich zwar nicht, zu sagen : daß ich einige dialettische Sophismen in den Gedanken eines großen Geometers über die Musik angetroffen habe; ich denke aber, daß ein unrichtiger Sprachgebrauch darin herrscht, und daß vielleicht die verschie<288>dene Erklärung der Wörter mich hindert, mit diesem großen Manne gleicher Meinung zu sein. Er giebt zu, daß die Tonkunst bloß Empfindungen der Seele hören lassen kann, daß folglich alles, was den übrigen Sinnen zukommen mag, dem Gehör fremd ist, und dennoch fodert er von dem Komponisten, daß er das Aufgehen der Sonne darstelle. Sollte er hier nicht gemeint haben, der Tonkünstler solle jene sanfte ruhige Wonne ausdrücken, die das Anbrechen der Morgenröthe einflößt? Dies läßt sich thun; aber von den tiefsten Saiten des Instruments hinauf bis zu den höchsten, und dann wieder hinunter zu steigen, wie der Geometer es will, das wird nie die mindeste Aehnlichkeit zwischen dem Schauspiel eines schönen Morgens und den angegebenen Tönen hervorbringen. In der Musik wollen wir also bei den Empfindungen der Seele bleiben und uns hüten, Froschgequake und hundert andere Dinge nachzubilden, deren Nachahmung in der Musik so fehlerhaft ist, als in der Dichtkunst. Alles in der Welt hat seine bestimmten Grenzen; so auch die Künste, die zu unserm Vergnügen dienen; dehnen wir sie über ihre Sphäre aus, so verfallen wir in das Unnatürliche, statt sie zu vervollkommnen. Ich bin bloß Dilettant und entscheide nicht über Gegenstände, mit denen ich mich nur so ganz im Vorbeigehen beschäftigen kann, aber Sie verlangten, daß ich meine Meinung sagen sollte, und so habe ich es gethan. etc."
7. Mai 1767
Der König schenkt der Prinzessin von Preußen, die an diesem Tage in Potsdam von einer Prinzessin 288-+ entbunden worden war, ein goldenes Kaffee- und Theeservice.
9. Mai 1767
Der König von Potsdam in Charlottenburg, dann nach Berlin. Hier hält er Revue, besucht den kranken General von Hülsen, besieht die Porzellanmanufaktur und geht nach Charlottenburg zurück.
<289>10. Mai 1767
Nachdem der König im Berliner Thiergarten Revue gehalten, geht er nach Potsdam.
10. Mai 1767
Der regierende Herzog von Braunschweig kommt in Potsdam an.
12. Mai 1767
Der König als Pathe bei der neugebornen Tochter des Prinzen von Preußen, die er über die Taufe hält. Die Königin war nicht unter den Taufzeugen, auch nicht gegenwärtig.
>16.05.1767> bis 18ten. Revue etc. bei Potsdam.
19. Mai 1767
Der König über Spandau nach Charlottenburg.
20. Mai 1767
In Berlin, wo er den kranken General von Hülsen besucht.
21. Mai 1767
bis 23. Revue etc. bei Berlin; am letztern Tage besucht der König den erkrankten General von Zieten und geht alsdann nach Charlottenburg.
25. Mai 1767
Von Charlottenburg nach Cüstrin.
27. Mai 1767
Kommt über Landsberg und Pyritz im Lager bei Stargard an, wo Revue und Kriegsübungen Statt finden.
30. Mai 1767
In Königsberg in der Neumark. Auf der weitern Reise erfuhr der König den Tod des Prinzen Heinrich, seines Neffen. Der Schmerz und die Bestürzung des Königs bei dieser Nachricht war so groß, daß er an diesem Tage die Rückreise nicht fortsetzte, sondern in Bernau anhalten ließ und daselbst übernachtete 289-+.
<290>31. Mai 1767
Ankunft des Königs in Potsdam.
B.
26. Mai 1767
Stirbt der Prinz Friedrich Heinrich Karl, geb. den 30. Dezbr. 1747, zweiter Sohn des verstorbenen Prinzen von Preußen, August Wilhelm, Bruders des Königs. Er hatte eben erst am 2. April das Kürassier-Regiment, welches sein Vater gehabt hatte (Nr. 2 der alten Armeeliste) als Oberster erhalten, und wollte es nun am 16. Mai von Kyritz, wo es sein Standquartier hatte, zur Revue nach Berlin führen, er mußte aber unterwegs in dem Dorfe Protzen, der ihm zugestoßenen Krankheit halber, die sich bald als die Blattern zeigte, liegen bleiben, wo er trotz der Bemühungen der geschicktesten Aerzte, die ihm der König, der ihn ganz vorzüglich liebte und schätzte, geschickt hatte, am 26. Mai starb.
25. Mai 1767
Stirbt der General-Lieutenant und Gouverneur von Berlin von Hülsen.
288-+ Friederike Charlotte Ulrike Catharine. Sie starb in London als Wittwe des Herzogs von York am 6. Aug. 1820.
289-+ Bei der großen Betrübniß, welche der König über den Tod des Prinzen äußerte, suchte einer der anwesenden Generale ihn zu trösten; der König antwortete ihm: "Er hat Recht, aber Er fühlt nicht den Schmerz, der mir durch diesen Tod verursacht wird." "Ich fühle ihn," erwiederte der Officier, "denn es war einer der hoffnungsvollsten Prinzen." "Nein," versetzte der König, "Er hat den Schmerz auf der Zunge und ich hier (auf das Herz zeigend), denn dieser Prinz war einer der besten Menschen." Der König schrieb eine Lobrede auf den Prinzen und ließ sie in der Akademie der Wissenschaften am 30. Dezember (dem Geburtstage des Prinzen) vorlesen. Zum Text der zu haltenden Leichenpredigt hatte der König selbst die Worte gewählt: "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken etc." Jesaias Kap. 55. B. 8. 9.