<122> noch übrigen Freunde für den der sich schon unter der Last des Alters krümmt, und sich dann glücklich schätzt, daß er ihnen in seiner Jugend Geschmack abgewonne hat.
Meine Landsleute haben den Ehrgeiz, daß sie nun auch ihrerseits des Vortheils, den die schönen Künste gewähren, genießen wollen, und geben sich Mühe, Athen, Rom, Florenz und Paris zu erreichen. So sehr ich auch mein Vaterland liebe, so kann ich doch bis jetzt nicht sagen, daß es ihnen damit gelingt. Es fehlt ihnen an zwei Stücken: an einer guten Sprache und an Geschmack. Das Deutsche ist zu weitschweifig, und in guten Gesellschaften spricht man Französisch. Einige Magisterchen und Professoren sind nicht im Stande, der Sprache die Feinheit und die leichten Wendungen zu geben, die sie nur im Umgange der großen Welt erhalten kann. Dazu kommt noch die Verschiedenheit der Dialekte. Jede Provinz hat ihren eigenen, und es ist noch nicht ausgemacht, welcher den Vorzug verdient.
Besonders aber fehlt es den Deutschen an Geschmack. Sie können bis jetzt die Schriftsteller aus dem Jahrhumdert des Augustus noch nicht Nachahmen, und machen eine fehlerhafte Mischung von dem Römischen, Englischen, Französischen und ihrem eigenen Nationalgeschmack. Es fehlt ihnen noch an der feinen Unterscheidungskraft, die alle Schönheiten auffaßt, welche sie nur findet, um das Mittelmäßige von dem Vollkommenen, das Edle von dem Erhabenen zu unterscheiden und jedes an den schicklichsten Platz anzubringen weiß. Ob sie gleich viele R in ihrer Sprache haben, so halten sie ihre Verse doch für harmonisch; und gewöhnlich sind diese nichts als ein Galimatias von hochtrabenden Worten. In der Geschichte würden sie ja nicht den kleinsten Umstand auslassen, wenn er auch völlig unnütz wäre.
Die besten Werke haben sie noch im Fache des Staatsrechts. Mit der Philosophie giebt sich seit Leibnitzen's Genie und Wolf's dicker Monade Niemand mehr ab. Sie