<153>schein nach wird sie bis zum Winter hinschmachten, und dann durch einen zerstörenden Schlagfluß dem Leben entrissen werden.
Es thut mir leid, Ihret- und der Wissenschaften wegen, die sie ehrte. Aber wahrscheinlich wissen Sie, daß sie nicht unsterblich war. Die Todten sind, wenn man es genau überlegt, nicht zu beklagen, sondern ihre Freunde, die sie überleben. Der Zustand der Menschen ist so vielen schrecklichen Unfällen unterworfen, daß man sich vielmehr über den entscheidenden Augenblick, der ihre Mühseligkeiten endigt, erfreuen sollte, als über den Tag ihrer Geburt. Allein die Betrachtungen, die man über sich selbst anstellt, sind betrübend; man fühlt sein Herz zerrissen, wenn man sich auf immer von denen getrennt sieht, die durch ihre Tugenden unsere Achtung, durch ihre Redlichkeit unser Vertrauen, und unsere Zuneigung durch eine unerklärliche Sympathie verdienten, die sich bisweilen bei Neigungen und bei der Denkungsart findet. Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß man in unserem Alter dergleichen Verbindungen nicht mehr anknüpft, in der Jugend müssen sie geschlossen werden, durch Umgang gestärkt und durch erprobte Rechtschaffenheit befestigt sein. Wir haben nicht mehr die Zeit, dergleichen Bande zu knüpfen; die Jugend ist nicht dazu gemacht, sich in unsere Denkungsart zu schicken. Jedes Zeitalter hat seine eigene Art und Bildung; man muß sich an seine Zeitgenossen halten, und wenn diese Abschied nehmen, muß man hurtig Anstalt machen, ihnen zu folgen. Ich gestehe, gefühlvolle Seelen können Gefahr laufen, bei wiederholtem Verluste von Freunden völlig zu erliegen, allein welch eine Menge unaussprechlicher Vergnügungen genießen sie auch nicht, die auf immer jenen ehernen Herzen, jenen unempfindlichen Seelen unbekannt sein