April.
A.
1. April 1770
Der König in Potsdam (Sanssouci); bei ihm der Fürst von Lobkowitz, Kaiserl. General-Feldmarschall.
3. April 1770
Schreibt der König die Epistel: "Ueber meine Genesung," an seine Schwester ***.
3. April 1770
Der König schreibt an d'Alembert, der in Bezug auf des Königs Schrift, über die Selbstliebe etc., einige Zweifel über die uneingeschränkte Anwendbarkeit dieses Princips der Moral geäußert hatte, und besonders den Einwurf macht, ob z. B. diejenigen, die nichts haben, die der bürgerlichen Gesellschaft Alles geben, und nicht so viel besitzen, ihre Familie zu ernähren, denen aber die Gesellschaft Alles versagt etc., ob diese Menschen einen andern moralischen Grundsatz haben können, als das Gesetz? etc. Hierauf bestreitet der König zuerst die Möglichkeit eines solchen Falles, und sagt dann: "Aber diesen unmöglichen Fall gesetzt, es fände sich eine Familie, die alles Beistandes beraubt und in der schrecklichen Lage wäre, in der Sie sie schildern, dann würde ich kein Bedenken tragen, mich in Rücksicht derselben für die Rechtmäßigkeit des Diebstahls zu erklären. Und das aus folgenden Gründen: 1) Weil man ihr Ansuchen abwies, anstatt ihr zu helfen. 2) Weil es ein viel größeres Verbrechen ist, sich selbst, sein Weib, seine Kinder umkommen zu lassen, als einem Andern etwas von seinem Ueberfluß zu entwenden. 3) Weil die Absicht dieses Diebstahls tugendhaft, und dessen Ausübung unumgänglich notwendig ist. Auch bin ich versichert, daß es keinen Ge<9>richtshof giebt, der nicht, wenn die Wahrheit des Factums richtig ausgemittelt worden, auf die Lossprechung eines solchen Diebes erkennen wurde. Die Bande der Gesellschaft gründen sich auf gegenseitige Dienstleistungen; besteht aber diese Gesellschaft aus unbarmherzigen Gemüthern, dann sind alle Verbindungen zerrissen, und man tritt in den bloßen Stand der Natur zurück, in welchem durchgehends das Recht des Stärkern entscheidet. etc.
Sie legen mir ferner die Frage vor: Ob es nützlich sei, das Volk zu täuschen? Wenn wir uns in die erste Zeit der Welt versetzen, so werde ich darauf Nein antworten, denn da Irrthum und Aberglaube noch unbekannt sind, so muß man sie nicht einführen, ja man muß sogar ihr Aufkeimen verhindern. Bei der Uebersicht der Geschichte finde ich zwei Arten des Betrugs; dem Aufkommen des einen diente der Aberglaube zum Fußschemmel; die andere Art aber konnte, vermittelst einiger Vorurtheile, dazu dienen, den Geist des Volks zu seinem eigenen Besten zu lenken. Zur ersten Klasse dieser Betrüger gehören die Bonzen, die Zoroaster, die Ruma, die Mahomed etc. Die zweite Klasse aber besteht aus den Staatsweisen, die zum größten Vortheil der Regierung ihre Zuflucht zum System des Wunderbaren nahmen, um die Menschen lenksam, um sie gelehrig zu machen. etc. Alle, die es mit einem großen vermischten Haufen von Menschen zu thun haben, um sie zu einerlei Zweck zu leiten, werden gezwungen sein, ihre Zuflucht bisweilen zu Täuschungen zu nehmen; und wenn sie das Publikum aus den Gründen, die ich eben angeführt habe, täuschen, so halte ich sie nicht für strafbar. Anders aber ist es mit dem groben Aberglauben, dieser ist eines von den schädlichen Kräutern, welche die Natur auf dieser Erde ausgesäet hat, und welcher sogar mit dem Charakter des Menschen innig verbunden ist. etc.
Ich glaube allerdings, daß es gut und sehr nützlich ist, die Menschen aufzuklären. etc. Aber ich glaube zugleich : es wäre<10> unklug und sehr gefährlich, wenn man jene Nahrungsmittel des Aberglaubens abschaffen wollte, die man öffentlich den Kindern austheilt, um sie dem Willen ihrer Väter gemäß damit zu nähren. etc. Der Mensch ist ein Thier, das nicht zu bessern steht, und das mehr nach Sinnlichkeit als nach Vernunft handelt. Indeß habe ich für dies Thier einen Katechismus 10-+ verfertigt, den ich Ihnen hier schicke. etc."
13. April 1770
Der König an die Prinzessin Amalie, seine Schwester: "Epistel, um sie über den Verlust des Fräuleins von Hertefeld zu trösten" ("in Potsdam und auf dem Weinberg").
- etc. - "Ein Mittel nur, o Schwester, hat der Mensch,
Das vor dem Eigensinn des Glücks ihn schützt:
Er sei auf ihn gefaßt, erwart' ihn dann,
Mit Muth, und widerstehe seinem Sturm. etc.
- - - etc. des Schicksals Macht
Bestimmt Dein Loos. Nur darum lebst Du hier,
Damit Du leiden sehn, und klagen, seufzen
Und sterben sollst. Verlorst Du Alles erst,
Was nur Dein Herz geliebt, dann trifft auch Dich
Die Reih', und Du wirst selbst vernichtet sein. etc."
17. April 1770
Der König schickt die von ihm selbst verfaßte kleine Schrift: "Ueber die Erziehung," an den Minister von Münchhausen, weil, wie er dabei bemerkt, "einige Reflectiones darin enthalten sind, von welchen bei den Universitäten Gebrauch zu machen nicht ohne Nutzen sein dürfte." (Bei Lebzeiten gedruckte Werke etc. II. 358. Deckersche Ausgabe).
18. April 1770
Der König schenkt seiner Gemalin ein sehr vollständiges Tafelservice und zwei Theeservice vom feinsten Porzellan. Um diese Zeit hatte der Verbrauch der gebrannten Cichorienwurzel, statt Caffee, auch im Preußischen Eingang gefun<11>den, und der König ertheilte dem Braunschweigschen Major von Heine und dem Christian Gottlieb Förster unter dem 29. April d. J. ein Privilegium zur privativen Fabrikation des Cichoriencaffees auf 6 Jahr, worauf die Entreprenneurs in Berlin, Breslau, Magdeburg den Anbau und die Fabrikation des Cichoriens einrichteten.
B.
5. April 1770
Stirbt der Baron von Bielfeld auf seinem Gute Treben im Altenburgschen.
10-+ Diese Schrift ist die Instruction morale à l'usage de la noblesse. Darin sagt der König unter andern, daß man vorzüglich dahin trachten soll, die jungen Leute für die Tugend zu begeistern.