März.

A.

1. März 1771

Der König in Potsdam.

5. März 1771

Der König an Voltaire :

- etc. - "Ein paar Worte von Ihren questions encyclopédiques. Ich gestehe zu, daß ein Schriftsteller, der für das Publikum schreibt, es selbst mit seinen Schwachheiten nicht genug respectiren kann, und gebe daher dem Verfasser der Vorrede zu dem Auszug aus dem Fleury 39-++ meinen Beifall nicht.<40> Er drückt sich dreist aus, und behauptet Sätze, woran gottesfürchtige Seelen Anstoß nehmen können; und das ist nicht löblich. Niur durch Reflexionen und Betrachtungen wird die Wahrheit geläutert und von dem Irrthum geschieden. Wenige Personen nehmen sich Zeit zu einer Untersuchung, die so beschwerlich ist und eine ununterbrochene Aufmerksamkeit erfodert. So deutlich man ihnen auch ihre Irrthümer auseinander setzt, so glauben sie doch, man wolle sie verführen. Sie verabscheuen die Wahrheiten, die man ihnen vorträgt, und verfluchen den Mann, der es thut. Ich bin daher sehr mit der Methode zufrieden, daß man dem Aberglauben Nasenstüber giebt und ihn dabei mit Höflichkeiten überhäuft."

13. März 1771

Der König an d' Alembert :

"Um das Trockne der Philosophie bisweilen ein wenig zu erheitern, beschäftige ich mich von Zeit zu Zeit mit minder ernsthaften Gegenständen, aber da Sie mich in den geheiligten Tempel zurückfuhren, in welchem sich unsere Unwissenheit am hellsten zeigt, so folge ich Ihnen dahin.

Gleich Anfangs legen Sie mir einen fürchterlichen Gegenstand vor, nämlich: Gott, der für ein eingeschränktes Wesen, wie ich es bin, unbegreiflich ist, und von dem ich mir keine andere Vorstellung machen, keinen andern Begriff haben kann, als zufolge der Vorstellungen und Begriffe, welche mir jeder organisirte, mit Denkkraft begabte Körper giebt. Ich überschaue die gesammte Organisation dieses Weltalls, und sage zu mir selbst: Wenn du, der du nur eine Milbe bist, doch denkst, weil du Leben hast, wie sollten nicht die unermeßlichen Körper, welche in unaufhörlicher Bewegung sind, weit erhabnere Gedanken hervorbringen als du? Dies scheint mir sehr wahrscheinlich. Aber die Eitelkeit habe ich nicht, wie die alten Stoiker, mir einzubilden, unsere Seele sei ein Ausfluß des großen Wesens, mit welchem sie sich nach meinem Tode wieder vereinigen wird. Und das darum: weil Gott nicht theillar ist; weil wir närrische Streiche machen, und Gott<41> dergleichen nicht thut; und weil endlich die ewige und göttliche Natur sich zerstörbaren Wesen - Geschöpfen, deren Dasein, mit der Ewigkeit verglichen, keine Secunde währt - weder mittheilen kann noch darf. Dies ist mein Glaubensbckenntniß; dies ist es, was ich mir als das am wenigsten Ungereimte über einen Gegenstand habe zusammenreimen könen, von welchem, seitdem die Welt Welt ist, noch Niemand das Geringste verstanden hat.

Von da führen Sie mich zu einem wenigstens eben so gefährlichen Standort; und ich glaube ein Mißverständniß zu bemerken, nach dessen Hebung wir sogleich einig sein werden. Wenn Sie unter Notwendigkeit das verstehen, was ich zureichenden Grund nenne; so ist unser Zwist gehoben. Indeß hätte ich Ihnen noch einige Einwendungen zu machen; denn man muß nicht glauben, daß sich alle Menschen nach einer genauen Abwägung des Dafür und Dawider bestimmen. Es giebt zweifüßige ungefiederte, sogenannte vernünftige Thiere, die sich nach der ersten Eingebung ihrer Imagination entscheiden; ich habe einen Herzog von Mecklenburg gekannt, der die Boutonomancie (das Knöpfezählen) zu Rathe zog. Alles dieses beweist, daß nicht einerlei Triebfedern auf verschiedene Geschöpfe wirken, und daß sich die Vernunft be gnügt, diejenigen zu leiten, die man die Weisesten nennt. Wollen sie nun Das Notwendigkeit nennen, was ich Ver nunft nenne, so ist unser Streit geendigt; nehmen Sie aber eine blinde Notwendigkeit des Verhältnisses an, die uns als Marionetten handeln läßt, so würde es mir schwer fallen, noch in meinen alten Tagen eine Marionette zu werden. etc."

26. März 1771

Der König an den Grafen Hoditz in Roswalde.

In dieser Epistel schildert der König den Aufenthalt etc. in Roswalde, und sagt unter andern:

"Die große Kunst ist : wahrhaft glücklich sein.
Ein düstres Traumbild scheinet mir der Stolz. etc.
Es ist wohl schön, dem Throne sich zu nah'n;
<42>Doch schöner noch, sein eigner Herr zu sein,
So wußtest Du mit verdachter Wahl
Der Freiheit Glück der Größe vorzuziehn;
Du, frei von allem Prunk, von allem Stolz,
Geführt von der Natur, und, ohne daß
Du selbst es denkst, ein Schüler Epikur's."

Um diese Zeit war der Graf Hoditz beim König in Potsdam, von wo er den 19. April über Berlin nach Noswalde zurück reiste. Ferner waren in diesem Monat beim König: der Abt Bastiani, der Lord Algernon Perci, ein Sohn des Herzogs von Northumberland, und dessen Führer Dutens Duchillou. Der Letztere erwähnt seiner mit dem Könige gehabten Unterredung in seiner Schrift: Mémoires d'un voyageur qui se repose etc. I. 378, jedoch nicht ausführlich. Er war durch den Baron von Cocceji eingeführt worden, welchen er, wie man hier I. p. 146 erfährt, schon in Turin kennen gelernt hatte, wohin er, als Sächsischer Kaufmann verkleidet, vom König geschickt worden war, um den König von Sardinien gegen Oestreich zu stimmen 42-+.

<43>

B.

4. März 1771 bis 5. März 1771

In der Nacht stirbt der Markgraf Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt zu Wildenbruch.

Um diese Zeit war die berühmte Sängerin Mara in des Königs Dienste getreten. Sie sang zum ersten Male auf dem Theater in dem Intermezzo Piramus und Thisbe von Hasse.


39-++ S. die Briefe des Königs an Voltaire vom Juli u. Dezbr. 1766 und vom 20. Febr. 1767. Die vom König erwähnte Widerlegung von Ernesti (s. oben III. Abthl. S. 281) steht in dessen: "Neue Theologische Bibliothek" Vll, 333 - 345.

42-+ Dutens erzählt, daß, als er anfänglich keine Audienz beim Könige habe erhalten können, er alsbald einige Verse verfaßt habe, darin er - weil er gewußt, daß der König gern für einen großen Architekten gehalten sein wolle (!?), die von ihm in und bei Potsdam errichteten Gebäude über alle Maßen gelobt, und den König selbst mit Julius Cäsar und August verglichen habe. Diese Schmeichelei habe ihm nun - wie er sich einbildet - die gewünschte Audienz verschafft. Hierin hat er gewiß sehr geirrt, wie jeder, der die Denkungsart des Königs kennt, zugeben wird. Nach Seite 577 seines Buches hat er jene Verse auf seinem Tisch liegen lassen, wo sie Bastian! gesehen, mitgenommen und dem König gezeigt haben soll, weiterhin aber will er sie, als er das Neue Palais besehen, in das ihm daselbst vorgelegte Fremdenbuch eingeschrieben haben, wo sie der König Tags nachher gelesen und darauf ihn zu sprechen verlangt habe. Uebrigens ist, wie man uns wenigstens auf unsere Nachforschung an Ort und Stelle versichert hat, zu Friedrich's d. Gr. Zeit niemals ein solches Fremdenbuch vorhanden gewesen. Das erste dieser Art ist erst im September 1787 angelegt worden, das zweite im Jahr 1810, und das dritte im Juli 1832.
Was Dutens weiterhin von Quintus Icilius und dem König erzählt, ist größtentheils unrichtig.