März.
A.
März 1780
Der König in Potsdam.
2. März 1780
Der König an d'Alembert :
"Ich weiß nicht, durch welchem Zufall die Geschichte der Urtheilssprüche in diesem Lande 226-+ in auswärtigen Staaten verbreitet worden. Die Gesetze sind dazu da, daß sie die Schwachen vor der Unterdrückung der Mächtigen beschützen sollen, und sie werden überall beachtet werden, wenn man genaue Obacht auf diejenigen hielte, durch welche die Gesetze sprechen uud handeln. etc. Es ist nicht immer hinlänglich, zu<227> warnen; bisweilen sind auch Beispiele von Strenge nöthig, um eine so große Menge von Räthen in ihrer Schuldigkeit zu erhalten. Ursprünglich sind die Regenten die Richter des Staats, nur die Menge der Geschäfte hat sie gezwungen, dieses Amt Leuten zu übertragen, denen sie das Fach der Gesetzgebung anvertrauen. Aber dennoch müssen sie diesen Theil der Staatsverwaltung nicht zu sehr vernachlässigen, oder wohl gar dulden, daß man ihren Namen und ihr Ansehen dazu mißbraucht, um Ungerechtigkeiten zu begehen.
Aus diesem Grunde bin ich genöthigt, über diejenigen zu wachen, denen die Handhabung der Gerechtigkeit übertragen ist, weil ein ungerechter Richter ärger ist, als ein Straßenräuber. Allen Bürgern ihr Eigenthum sichern, und sie so glücklich machen, als es die Natur des Menschen gestattet, diese Pflicht hat Jeder, der das Oberhaupt einer Gesellschaft ist; und ich bestrebe mich, diese Pflicht aufs Beste zu erfüllen. Wozu nützte es mir auch sonst, den Plato, Aristoteles, die Gesetze des Lykurg und des Solon gelesen zu haben? Ausübung der guten Lehren der Philosophen, das ist wahre Philosophie, etc."
26. März 1780
Der König an d'Alembert:
- etc. - Was meine Gesundheit betrifft, so werden Sie natürlicher Weise Selbst vermuthen, daß ich bei acht und sechzig Jahren die Schwachheiten des Alters empfinde. Bald belustigt sich das Podagra, bald das Hüftweh, und bald ein eintägiges Fieber auf Kosten meines Daseins, und sie bereiten mich vor, das abgenutzte Futteral meiner Seele zu verlassen. Die Natur scheint die Absicht zu haben, uns vermittelst der Schwachheiten, die sie uns gegen das Ende unserer Tage zuschickt, das Leben zu verekeln. In diesem Falle muß man mit Kaiser Mark Aurel sagen : man unterwerfe sich Allein, was die ewigen Gesetze der Natur uns zu ertragen auflegen, ohne Murren. etc. - Ich habe jetzt hier<228> einen Doctor der Sorbonne 228-+ bei mir, der mir Unterricht in theologischen Absurditäten giebt, in welchen ich zusehends gelehrter werde; von ihm habe ich gelernt, was die innere und die äußere Intention ist; merkwürdige Sachen, wovon Sie nichts wissen, ein so großer Philosoph Sie auch immer sein mögen; er hat mich Formeln voll unbegreiflichen Unsinns gelehrt, von denen ich in dem ersten theologischen Werke, das ich schreiben werde, Gebrauch zu machen gedenke. etc. Man wird es recht geschickt anfangen müssen, um unsern Priestern eine Messe und ein Seelenamt für Voltaire abzugewinnen. Den Deutschen ist er nur unter dem Namen eines Atheisten, eines Vanini, eines Spinoza bekannt, und es werden Unterhandlungen nöthig sein, um diese Messe glücklich zu Stande zu bringen 228-++. etc. - Sie sagen mir, daß Herr Rulhière, den ich kenne, Willens ist, die Geschichte der letzten Unruhen in Polen zu schreiben. Mich dünkt, die Epoche ist zu neu, als daß ein Schriftsteller sich mit aller schicklichen Freiheit über diese Begebenheit auslassen könnte; die handelnden Personen leben noch alle, und es hält schwer, die Wahrheit zu sagen, und doch nicht den Einen oder den Anderen zu beleidigen. Was man im Allgemeinen darüber sagen kann, ist ungefähr Folgendes: Die unzufriedenen Polen hatten sich vereinigt, einen König vom Thron zu stoßen, den ihnen die Kaiserin von Rußland gegeben hatte; einige auf Religionsduldung sich beziehende Anträge brachten sie dergestalt auf, daß sie ihren König ermorden wollten; der Wiener Hof bemächtigte sich der Zipser Gespanschaft, und ver<229>anlaßte dadurch die Theilung des Königreichs, indem die Kaiserin von Rußland sich für berechtigt hielt, wegen der ungelehrigen Widerspenstigkeit der Republik Rache zu üben. Wollte man sich aber auf nähere Umstände einlassen, so würde dies zu persönlichen Erörterungen Anlaß geben, die man nur den Augen der Nachwelt mit Sicherheit darstellen darf 229-+." Beim König waren in diesem Monat (an verschiedenen Tagen): der Minister von Finkenstein, Oberstallmeister von Schwerin, der Dänische General-Lieutenant von Chasot (dieser seit Januar und bis ungefähr zur zweiten Woche des März; die Söhne desselben, welche in Französischen Diensten gestanden und ihren Abschied genommen hatten, wurden vom König in Dienst genommen und bei der Kavallerie angestellt) und der Abbé Duval du Peyrau.
B.
13. März 1780
Credit-Reglement für Westpreußen.
26. März 1780
Stirbt der regierende Herzog von Braunschweig Karl, Schwager des Königs, 66 Jahr alt.
226-+ Es bezieht sich dies auf die Müller Arnoldsche Sache, welche d'Alembert in seinem Briefe vom 29. Febr. an den König erwähnt, und die überhaupt auch im Ausland großes Aufsehen erregt hatte. Die Kaiserin von Rußland übersandte das auf Befehl des Königs in die Zeitungen eingerückte Protocoll vom 11. Dezbr. 1779 dem Senat zu Petersburg als eine merkwürdige Urkunde Königlicher höchster Justizpflege. In Frankreich verfertigte und stach der Kupferstecher Vangelisti zur Verehrung und Verewigung dieses Vorgangs einen allegorischen Kupferstich unter dem Titel : "Balance de Frédériic." S. v. Rebeur, Ueber den ungünstigen Anfang der von Carmerschen Justizverbesserung etc., Lemgo, 1789, S. 28.
228-+ Duval du Peyrau, der König gab ihm eine Pension und unterhielt sich zuweilen mit ihm. Seit 1785 ward er nicht mehr zum König gerufen, behielt jedoch seine Pension. Daß er schon Anfangs des Jahres 1779 beim König gewesen, wie Nicolai in seinen Anekdoten II. 132 sagt, scheint ein Irrthum zu sein.
228-++ Sie ward am Jahrestage des Todes Voltaire's, den 30. Mai, in der katholischen Kirche in Berlin mit großer Pracht gehalten.
229-+ Rulhire hatte durch d'Alembert, "weil es ihm bei dieser Geschichte um Wahrheit zu thun sei," bei dem König, auf eine seine Art, wegen Mittheilungen etc. anfragen lassen. Auf diese Antwort des Königs scheint R. sein Vorhaben aufgeschoben zu haben. Erst im Jahr 1807 erschien in Paris von ihm : Histoire de l'Anarchie de Pologne et du démembrement de cette Republique. Es ist dies Buch sehr freimüthig geschrieben, doch nicht ohne Partheilichkeit für die Polen, auch enthält es manche Uebertreibung und Irrthümer, von denen der Herausgeber dieser Blätter einige, welche den König betreffen und von andern Schriftstellern weiter verbreitet worden sind, in von Ledebur's Archiv 1828, 2 .Heft, S. 119 - 160 gerügt und berichtigt hat.