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Aus diesem Grunde habe ich die dunklen Anfangszeiten, sowie die Regierung der ersten Herrscher, die uns nur wenig angehen, in großen Sprüngen durchmessen. Es geht mit Geschichtswerken wie mit Gewässern, die erst da Bedeutung gewinnen, wo sie schiffbar werden. Die Geschichte des Hauses Brandenburg wird erst fesselnd mit Johann Sigismund: einmal infolge der Erwerbung des Herzogtums Preußen, sodann durch die Klevische Erbfolge, auf die er durch Heirat Rechtsansprüche hatte. Erst von dem Zeitabschnitt ab gewinnt der Stoff an Fülle, und so gewährte er auch mir die Möglichkeit, mich entsprechend auszudehnen.

Der Dreißigjährige Krieg hat ein ganz anderes Interesse als etwa die Fehden Friedrichs I. mit den Nürnbergern oder die Turniere Albrecht Achills. Dieser Krieg, der seine tiefen Spuren in allen Staaten zurückließ, ist eines jener großen Weltgeschehnisse, die jedem Deutschen, jedem Preußen vertraut sein müssen. Er führt uns auf der einen Seite den Ehrgeiz des Hauses Österreich vor Augen, wie es mit Waffengewalt sein despotisches Regiment im Reiche zu errichten strebt. Auf der anderen Seite erblicken wir den großen Sinn der deutschen Fürsten, die für ihre Freiheit streiten, wobei die Religion denn hüben und drüben den Vorwand abgeben muß. Wir sehen, wie die Politik zweier großer Könige sich der Geschicke Deutschlands annimmt und wie sie das Haus Österreich dahin bringt, im Westfälischen Frieden in die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen dem Ehrgeiz des Kaisers und der Freiheit der Kurfürsten zu willigen. Begebenheiten von solcher Tragweite, daß sie sich bis auf den heutigen Tag in den wichtigsten Staatsfragen fühlbar machen, verlangten eine ins einzelne dringende Behandlungsweise, und so habe ich ihnen denn auch so viel Platz eingeräumt, wie sich mit der Anlage meines Werkes vertrug.

Soweit es mir andere wichtigere Obliegenheiten erlaubten, habe ich diese neue Ausgabe noch einmal durchgesehen, verbessert und erweitert. Da die erste nach einer wenig sorgfältigen Abschrift hergestellt war, so habe ich versucht, die vorliegende einwandfreier zu gestalten, wie ich es sowohl dem Gegenstand als auch dem Publikum schuldig war, das von jedem, der da schreibt, Achtung zu fordern hat.

Soeben erschien ein chronologischer Abriß der französischen Geschichte1, der wirklich für eine Quintessenz ihrer bemerkenswertesten Tatsachen gelten darf. Der feinsinnige Verfasser versieht sich auf die Kunst, selbst die Chronologie gefällig zu gestalten. Man braucht nur den Inhalt dieses Buches zu kennen, um die französische Geschichte vollständig zu beherrschen. Ich schmeichele mir nicht, meinem Versuch die gleichen Reize verliehen zu haben; doch halte ich meine Mühe für belohnt, wenn mein Werk vielleicht für die Jugend von Nutzen sein kann, und wenn es solchen Lesern Zeit erspart, die keine zu verlieren haben.

Wie schwierig es für einen Deutschen ist, in einer fremden Sprache zu schreiben, das sagte ich mir selbst. Gleichwohl entschied ich mich für die französische, weil sie am


1 Hénault, Nouvel abrégé chronologique de l'histoire de France (1744).