<111> Protestanten der Pfalz verfolgt hatte. Die Furcht vor diesen Vergeltungsmaßregeln brachte denn auch die Stadt Köln wieder zur Vernunft und lehrte sie, daß Toleranz eine Tugend ist, von der man bisweilen nicht ohne Gefahr abweicht.
Am Hofe Friedrichs I. herrschte damals die Intrige. Der Sinn des Königs schwankte zwischen den Kabalen seiner Günstlinge hin und her, wie ein von Wind und Gegenwind bewegtes Meer. Die ihm am nächsten standen, zeichneten sich nicht durch Begabung aus. Sie waren plump in ihren Kniffen und Ränken, in ihrem ganzen Treiben nicht sehr fein. Alle haßten einander und brannten insgeheim vor Begier, einander zu verdrängen. Einig waren sie sich nur in der Neigung, auf Kosten ihres Herrn sich zu bereichern. Der Kronprinz hatte Mühe, seine Unzufriedenheit über ihr Betragen zu unterdrücken.
Die Zeichen seines Mißfallens brachten die Höflinge auf den Plan, ihrem Ansehen eine neue Stütze zu geben. Sie überredeten den König, zu einer dritten Heirat zu schreiten, wiewohl er siech war, nur noch durch die Kunst der Ärzte lebte und mit einem Rest von Temperament den Lebensodem festhielt, der ihm entfliehen wollte. Marschall von Bieberstein1 führte den Anschlag aus. Er stellte dem König vor, der Kronprinz werde von seiner Gemahlin2 der Tochter des Kurfürsten Georg von Hannover, keine Kinder haben, obwohl sie eben damals schwanger war. Das Glück seines Volkes erfordere es, daß er ernstlich an die Befestigung seiner Nachfolge denke. Er sei noch rüstig, und durch die neue Heirat werde er sicher sein, daß seine Nachkommen die Krone trügen, deren Erwerbung ihm soviel Mühe gekostet habe. Dasselbe Geschwätz wurde von verschiedenen Persönlichkeiten wiederholt und überzeugte den guten Fürsten, daß er der rüstigste Mann in seinen Staaten sei. Die Ärzte bestimmten ihn vollends zur Heirat durch die Versicherung, seine Natur leide unter dem Zölibat. Man wählte für ihn eine Prinzessin von Mecklenburg-Grabow, mit Namen Sophie Luise, die nach Alter, Neigungen und Denkart durchaus nicht zu ihm paßte. Er hatte von dieser Verbindung keine andere Freude als die Hochzeitfeier, die mit asiatischem Prunk begangen wurde (1708). Im übrigen verlief die Ehe unglücklich.
Fortuna ward es endlich müde, die Launen Karls XII. zu beschirmen. Neun Jahre des Erfolgs hatte er genossen; die neun letzten seines Lebens waren eine einzige Verkettung von Schicksalsschlägen. Siegreich war er mit einem zahlreichen Heer eben nach Polen zurückgekehrt, beladen mit Schätzen und der sächsischen Beute (1707). Leipzig war das Kapua der Schweden. Mochten nun die Annehmlichkeiten Sachsens die Sieger verweichlicht haben, mochte die Glücksgunst dem König allzu viel Kühnheit eingeflößt und ihn über sein Ziel hinaus getrieben haben, fortan erlebte er jedenfalls nur noch furchtbares Mißgeschick.
Er wollte über Rußland wie über Polen verfügen und den Zaren entthronen, wie er August entthront hatte. In dieser Absicht nahte er den Grenzen Moskowiens,
1 Kammerherr Johann August Marschall von Bieberstein.
2 Sophie Dorothea, seit 1706 mit Kronprinz Friedrich Wilhelm vermählt, Mutter Friedrichs des Großen.