<121>lost. Er besaß eine arbeitsame Seele in einem kraftvollen Körper. Es hat nie einen Mann gegeben, der für die Behandlung von Einzelheiten so begabt gewesen wäre. Wenn er sich mit den kleinsten Dingen abgab, so tat er das in der Überzeugung, daß ihre Vielheit die großen zuwege bringt. Alles, was er tat, geschah im Hinblick auf das Gesamtbild seiner Politik; er strebte nach höchster Vervollkommnung der Teile, um das Ganze zu vervollkommnen.
Er strich alle unnützen Ausgaben und verstopfte die Kanäle, durch die sein Vater die Mittel des öffentlichen Wohlstands abgelenkt hatte, um sie in eitlem und überflüssigem Aufwand zu verschwenden. Der Hof spürte die Reform zuerst. Der König behielt nur eine Anzahl von Personen, die für die Wahrung der Würde notwendig oder dem Staat nützlich waren. Von den hundert Kammerherren seines Vaters behielt er nur zwölf; die übrigen wurden Offiziere oder Diplomaten. Er beschränkte seine eigenen Ausgaben auf eine mäßige Summe, indem er sagte, ein Fürst müsse mit dem Gut und Blut seiner Untertanen sparsam umgehen. In dieser Hinsicht war er ein Philosoph auf dem Thron, wiewohl er nichts gemein hatte mit jenen Gelehrten, deren unfruchtbare Wissenschaft auf der Spekulation über abstrakte Gegenstände beruht, die sich unserer Erkenntnis offenbar entziehen. Er gab das Beispiel einer Sittenstrenge und Einfachheit, die der ersten Zeiten der römischen Republik würdig waren. Dem Prunk und den imposanten Äußerlichkeiten des Königtums war er feind. In seiner stoischen Tugend gönnte er sich nicht einmal die Nächstliegenden Annehmlichkeiten des Lebens. Seine einfachen Sitten, seine große Genügsamkeit bildeten einen vollkommenen Gegensatz zu dem Hochmut und der Verschwendung Friedrichs I.
Ein politisches Ziel schwebte Friedrich Wilhelm bei seiner Reorganisation des Innern vor: er wollte sich durch, ein mächtiges Heer bei seinen Nachbarn in Respekt setzen. Georg Wilhelms Beispiel hatte ihn gelehrt, wie gefährlich es ist, sich nicht verteidigen zu können. Und das Beispiel Friedrichs I., dessen Truppen weniger ihm selbst als den sie bezahlenden Bundesgenossen gehörten, hatte ihn erkennen lassen, daß ein Herrscher nur in dem Maße geachtet wird, als er sich mächtig und furchtgebietend zu machen weiß. Er war der Demütigungen satt, die bald die Schweden, bald die Russen seinem Vater zugefügt hatten, indem sie ungestraft seine Staaten durchquerten. Er wollte sein Volk wirksam gegen die Unruhe seiner Nachbarn beschützen und sich zugleich in den Stand setzen, seine Anrechte auf die Erbfolge in Berg zu vertreten, die beim Tod des Kurfürsten von der Pfalz, des letzten Fürsten aus dem Hause Neuburg1, frei werden mußte2. Man ist zwar allgemein in dem Vorurteil befangen, der Plan einer militärischen Regierung sei nicht vom König selbst ausgegangen, sondern ihm durch den Fürsten von Anhalt eingegeben worden, aber wir
1 Auf Johann Wilhelm, der 1716 kinderlos starb, folgte sein Bruder Karl Philipp († 1742).
2 Nach preußischer Auffassung lebten die Ansprüche auf Jülich und Berg, denen der Große Kurfürst 1666 entsagt hatte (vgl. S. 67), mit dem Aussterben der Neuburgischen Linie wieder auf, während nach pfälzischer Ansicht die weibliche Deszendenz galt.