<134> verkörperte, einberufen und den König von Spanien zum Vormund Ludwigs XV. und Regenten von Frankreich ernennen lassen. Ein eigentümlicher Zufall brachte den Plan zum Scheitern.

Der Geheimschreiber des Fürsten Cellamare gehörte zu den Kunden der Fillon, einer Person, die sehr bekannt dafür war, daß in ihrem Hause heimliche Orgien gefeiert wurden. Der Regent und der Kardinal Dubois hatten sich schon mehr als einmal der Geschicklichkeit dieses Weibes bedient. Eines Tages fand die Fillon den spanischen Geheimschreiber in grüblerischer Laune, die ihm sonst nicht eigen war. Da sie ihm den Grund seiner Verstimmung nicht zu entlocken vermochte, hetzte sie ihm ein geschickes und verschlagenes Mädchen auf den Hals, das ihn zum Trinken und zum Reden brachte. In seiner Trunkenheit durchsuchte ihn das Mädchen. Die Papiere, die er bei sich hatte, schienen der Fillon so bedeutungsvoll, daß sie sie augenblicklich dem Regenten brachte. Der ließ den Geheimschreiber auf der Stelle verhaften. Alle Teilnehmer der Verschwörung wurden entdeckt. Fünf bretonischen Edelleuten kostete es das Leben; der Herzog von Maine, Kardinal Polignac und etliche vornehme Herren wurden verbannt. Der Hof sandte Truppen in die Bretagne. Als der Herzog von Ormond1 sich mit der spanischen Flotte dort zeigte, rührte sich nichts. Die Ruhe des Regenten wurde niemals so erschüttert wie durch dies Ereignis. Einige behaupteten sogar, er habe an Abdankung gedacht, aber Kardinal Dubois sei fest geblieben und habe ihn von seinem Vorhaben abgebracht; denn der Kardinal habe nicht genug bewundern können, welche Wege die Vorsehung eingeschlagen hätte, um dem Herzog von Orleans die Regentschaft zu erhalten. Europa glich einem aufgewühlten Meer, das nach dem Sturme grollt und sich nur allgemach besänftigt.

Karl XII. war durch die Schicksalsschläge nicht von seiner Leidenschaft geheilt worden. Sein Groll, der mit ihm nach Schweden gezogen war, brach wider Dänemark los. Vom Erbprinzen von Hessen begleitet, der kurz zuvor des Königs Schwester, Prinzessin Ulrike Eleonore, geheiratet hatte2, griff Karl Norwegen an und eroberte Christiania. Da er aber die Zitadelle von Friedrichshall nicht bezwingen konnte und Mangel an Lebensmitteln litt, gab er seine Eroberung auf.

Besorgnis vor den Russen hatte ihn in Schonen zurückgehalten. Jedoch unternahm er im Jahr 1718 einen abermaligen Einfall nach Norwegen. Während der Belagerung von Friedrichshall wurde er im Laufgraben getötet3. Seine große Tapferkeit ward sein Unheil: ein Falkonettschuß aus einem elenden Neste endete das Leben Dessen, vor dem der Norden erzitterte. Seine Kühnheit grenzte ans Heldenhafte. Er wäre der größte Mann seines Jahrhunderts gewesen, hätte er Mäßigung und Gerechtigkeit besessen. Des Königs Tod gab das Zeichen zum Waffenstillstand. Die Schweden brachen die Belagerung von Friedrichshall ab und zogen sich über ihre Grenze zurück. Die Dänen folgten ihnen nicht.


1 Seit 1718 stand Ormond (vgl. S. 116) in spanischen Diensten.

2 Erbprinz Friedrichs erste Gemahlin, Luise Dorothea Sophie, war 1705 gestorben (vgl. S. 117).

3 11. Dezember 1718.