<180> die Kriege zogen sich um so länger hin, je kleiner die Armeen waren, je weniger kostspielig ihr Unterhalt, und je mehr die Generale Gelegenheit fanden, sich dadurch zu bereichern.
Unter den Generalen des Großen Kurfürsten genossen der alte Derfflinger und Fürst Johann Georg von Anhalt das größte Ansehen. Wäre im Jahre 1673 der Rat des Fürsten von Anhalt befolgt worden, so hätte der Kurfürst Turenne angegriffen und ihn vielleicht geschlagen1. Der Fürst von Anhalt galt als klug und Derfflinger als unternehmend. Der letztere leistete seinem Gebieter besonders wertvolle Dienste bei dem Überfall von Rathenow, bei der Verfolgung der Schweden nach der Schlacht von Fehrbellin und beim Winterfeldzug in Preußen, wo er rastlos die Truppen zu größerer Eile anspornte. Nächst Derfflinger waren die angesehensten Generale Görtzke, der die Schweden bei Splitter überraschte, und Tressenfeld, der sie völlig aus Preußen vertrieb2.
Die Kunst regelrechter Anlage von Festungen, ihrer Belagerung und Verteidigung war gänzlich unbekannt. Der Kurfürst hatte nicht einmal einen mäßigen Ingenieur in seinen Diensten. Er lag sechs Monate vor Stettin, obschon die Stadt recht schlecht befestigt war3. Die Einnahme von Stralsund gelang nur dadurch, daß er die Stadt mit Bomben in Brand setzte4. Die Festungswerke, mit denen er Berlin umgab, waren schlecht gebaut. Sie hatten lange Wallinien und Bastione mit flachen Winkeln, sodaß kein Werk flankiert wurde.
Es geht mit der Kriegskunst wie mit anderen Künsten: sie wird nicht mit einem Schlage vollkommen. Genug, daß der Große Kurfürst strategische Leistungen vollbracht hat, die für alle Zeiten den geschicktesten Heerführern zum Muster dienen werden.
Während der Regierung Friedrichs, des ersten Königs von Preußen, wurde die Armee häufig vermehrt und vermindert. Die fremden Subsidien waren das Thermometer, nach dem ihre Zahl stieg und sank. Nach dem Tode des Großen Kurfürsten fand zunächst eine Vermehrung der Truppen statt. Die Kompagnien jedes Bataillons wurden auf 5 erhöht und 7 neue Bataillone ausgehoben, und zwar je zwei Bataillone Lottum, Schomberg und Dohna, und ein Bataillon Sydow. Auch die Kavallerie erhielt 20 neue Schwadronen, und zwar die Garde du Corps 2, die Regimenter Bayreuth und Schöning je 3, die Regimenter Ansbach, Sonsfeld und Brandt je 4.
Ein Jahr darauf (1689) traten 10 brandenburgische Bataillone und 6 Schwadronen in holländische Dienste über. Nach dem Frieden von Ryswik (1697) wurden die Bataillone auf je 4 Kompagnien, die Stärke einer Kompagnie auf 80 Mann herabgesetzt, sodaß im ganzen 80 Kompagnien Infanterie und Kavallerie entlassen wurden. 1699 erhielt jedes Bataillon wieder 5 Kompagnien. 1702 traten die Regi-
1 Vgl. S. 70 f.
2 Vgl. S. 82.
3 Vgl. S. 79 f.
4 Vgl. S. 81.