<215> Sie besaß den Geist eines großen Mannes und die Kenntnisse eines Gelehrten. Sie hielt es einer Königin nicht für unwürdig, einen Philosophen hochzuschätzen. Wie man schon errät, war der Philosoph, den wir meinen, Leibniz. Da diejenigen, denen der Himmel große Talente beschert, sich zur Höhe der Fürsten erheben, so zog sie Leibniz in ihren engeren Verkehr. Ja, sie tat noch mehr: sie schlug ihn als den einzigen vor, der fähig sei, die neue Akademie zu gründen. Leibniz, der mehr als eine Seele hatte, wenn ich so sagen darf, war wohl würdig, den Vorsitz in einer Akademie zuführen, die er im Notfall allein hätte darstellen können. Er richtete vier Klassen ein, eine für Physik und Medizin, eine für Mathematik, eine für deutsche Sprache und Altertumsforschung und eine für die Sprachen und Altertümer des Orients. Unsere berühmtesten Akademiker waren Basnage1, Bernoulli2, La Croze3, Guilielmini4, Hartsoeker5, Hermann6, Kirch7, Römer8, Sturm9 Varignon10, des Vignoles11, Werenfels12 und Wolff13. Später kamen noch Beausobre14 und Lenfant15 hinzu, Gelehrte, deren Federn dem Zeitalter eines Augustus oder Ludwig XIV. zur Ehre gereicht hätten.

In Magdeburg lebte noch Otto von Guericke, dem wir die Erfindung der Luftpumpe verdanken und dem es beschieden war, seinen philosophischen und erfinderischen Geist auf seine Nachkommen zu vererben.

Auch die Universitäten blühten in jener Zeit. Halle und Frankfurt waren mit hochgelehrten Professoren besetzt. Thomasius16, Gundling17, Ludewig18, Wolff und Stryk19 genossen das größte Ansehen und hatten zahlreiche Schüler. Wolff erläuterte Leibnizens geistvolles Monadensystem und ertränkte in einem Schwall von Worten, Argumenten, Lehrsätzen und Zitaten einige Probleme, die Leibniz den Metaphysikern vielleicht nur als Köder hingeworfen hatte20. Der Hallenser Professor schrieb mit Riesenfleiß eine Menge Bücher zusammen, die höchstens Kindern als Katechismus der Logik dienen, aber nicht erwachsenen Menschen irgend welche Aufschlüsse geben können. Die Monadenlehre hat die deutschen Metaphysiker und Mathematiker aufeinandergehetzt; sie streiten sich heute noch über die Teilbarkeit der Materie.


1 Jacques Basnage (1653 — 1723), Kirchenhistoriker, im Haag.

10 Pierre Barignon(1654 — 1722), Mathematiker, in Paris.

11 Alphonse des Vignoles (1649 — 1744), Prediger, in Berlin.

12 Samuel Werenfels (1657 — 1740), Theologe, in Basel.

13 Christian Wolff (1679 — 1754), Philosoph, in Halle.

14 Isaac Beausobre (1659 — 1738), Prediger, in Berlin.

15 Jacques Lenfant (1661 — 1728), Prediger, i n Berlin.

16 Vgl. S. 200.

17 Nikolaus Hieronymus Gundling (1671 — 1729), Professor der Philosophie in Halle.

18 Johann Peter von Ludewig (1668 — 1743), Professor der Philosophie und Geschichte, Kanzler der Universität Halle.

19 Samuel Stryk (1640 — 1710), Professor der Rechte in Halle.

2 Jakob Bernoulli (1654 — 1705), Mathematiker, in Basel.

20 Vgl. Bd. II, S. 46; VIII, S. 40f. 90. 96 .236. 260.

3 Mathurin Veissière La Croze (1661 — 1739), Polyhistor und Sprachgenie.

4 Dominico Guillelmini (1655 — 1710), Mathematiker und Mediziner in Padua.

5 Nikolaus Hartsoeker (1656 — 1725), Physiker, in Düsseldorf.

6 Jakob Hermann (1678 — 1733), Mathematiker,in Frankfurt a.O.

7 Gottfried Kirch (1639 — 1710), Astronom, in Berlin.

8 Olaus Römer (1644 — 1710), Astronom, ln Kopenhagen.

9 Leonhard Christian Sturm (1669 — 1719), Mathematiker und Architekt, in Frankfurt a.O.