<217>Kleidung und alle die Kleinigkeiten, auf die sich der Einfluß der Mode erstreckt. Diese Leidenschaft wurde aufs äußerste getrieben und artete aus. Die Frauen, die zu übertreiben pflegen, gingen darin bis zur Narrheit1.

Die ausländischen Moden kamen in der Stadt mehr in Aufnahme als bei Hofe. Hier mußten Prunk und Etikette die Langeweile vertreiben; man berauschte sich geradezu an Zeremoniell.

Der König stiftete den Orden vom Schwarzen Adler, teils um einen Orden zu haben wie alle anderen Könige, teils um Gelegenheit zu einem Feste zu schaffen, das einer Maskerade recht ähnlich sah. Derselbe König, der seiner Gemahlin zu Gefallen eine Akademie gegründet hatte, unterhielt zu seinem eigenen Vergnügen Possenreißer. Der Hof der Königin Sophie Charlotte war ganz von dem ihres Gatten getrennt. Er war ein Tempel, wo das heilige Feuer der Vestalinnen gehütet wurde, die Wohnstätte der Weisen und der Sitz der Bildung. Die Tugenden dieser Fürstin strahlen um so Heller, als ihre Nachfolgerin2 sich den Muckern in die Arme warf und ihr Leben in Gesellschaft jener bösartigen Sorte von Heuchlern verbrachte, die die Tugend der anderen mit Gift bespritzen, um ihre eigene Lasterhaftigkeit zu beschönigen.

Schließlich erschienen auch Alchimisten am Hofe. Ein Italiener namens Caetano3 versicherte dem König, daß er das Geheimnis des Goldmachens besäße. Er gab viel Gold aus, machte aber keines; der König rächte seine Leichtgläubigkeit an dem Unglücksmenschen, und Caetano wurde gehängt.

Unter Friedrich Wilhelm (1713) änderte der Staat sein Gepräge fast vollständig. Der Hofstaat wurde entlassen, die hohen Gehälter herabgesetzt. Viele, die sich einen Wagen gehalten hatten, mußten nun zu Fuß laufen. Das Volk sagte, der König habe die Lahmen wieder gehen gemacht. Unter Friedrich I. war Berlin das Athen des Nordens gewesen; unter Friedrich Wilhelm wurde es dessen Sparta. Die ganze Regierung war militärisch. Die Armee wurde verstärkt, und in der Hitze der ersten Aushebungen wurden einige Handwerker unter die Soldaten gesteckt. Das erschreckte die anderen, und viele entflohen. Dieser unerwartete Zwischenfall tat unseren Manufakturen beträchtlichen Abbruch.


1 Anmerkung des Königs: „Die Mutter des Dichters Canitz, die Frankreich in Modeartikeln arm gekauft hatte, um die übrigen Damen Berlins auszustechen, gab einem Kaufmann den Auftrag, ihr aus Paris einen schönen, jungen, kräftigen, feingebildeten, geistreichen, adligen Gatten zu besorgen. Sie meinte wohl, diese Ware sei dort ebenso leicht zu bekommen wie Bänder und Rüschen. Der Kaufmann, in diesem Gewerbszweige ein völliger Neuling, entledigte sich seines Auftrages, so gut er vermochte. Schließlich fanden seine Geschäftsfreunde einen Freiersmann. Er war fünfzig Jahre alt, hieß Herr von Brunbosc, war schwächlich und hinfällig. Er trifft ein (1676), Frau von Canitz sieht ihn, erschrickt und — heiratet ihn. Zum Glück für Preußen fiel die Ehe der Dame schlecht aus. Sonst hätte ihr Beispiel Nachahmung gefunden. Unsere Schönheiten wären in die Hände von Franzosen gekommen, und die Berliner hätten, wie einst die Römer, die Sabinerinnen ihrer Nachbarschaft rauben müssen.“

2 Anmerkung des Königs: „Eine mecklenburgische Prinzessin, die später in Wahnsinn verfiel,“ Vgl. S. 111.

3 Dominico Emanuel Caetano, Conte de Ruggiero.