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Friedrich Wilhelm litt seit langem an der Gicht. Mit der Zeit artete die Krankheit in Wassersucht aus. Er fühlte, wie sein Leiden fortschritt, und mit unerschütterlicher Festigkeit sah er dem nahenden Tod entgegen. Zwei Tage vor seinem Ende ließ er den Geheimen Rat zusammentreten. Er nahm an den Beratungen teil und entschied alle Fragen mit ungeschwächter Urteilskraft, in voller Geistesfrische. Hierauf richtete er eine Ansprache an seine Minister, dankte ihnen für die treuen Dienste, die sie ihm geleistet hatten, und ermahnte sie, seinem Sohn mit derselben Ergebenheit zu dienen. Dann wandte er sich an den Kurprinzen, setzte ihm die Pflichten eines guten Fürsten auseinander und gab ihm einen kurzen Überblick über den Zustand, in dem er die Staatsgeschäfte zurückließ. Er riet ihm aufs wärmste, den Prinzen von Oranien bei dem Zuge, den er gegen England plante1, zu unterstützen. Vornehmlich verweilte er bei der liebevollen Gesinnung und Fürsorge für die Völker, die der Sohn fortan regieren sollte, und empfahl ihm ihr Wohlergehen an, wie nur ein guter Vater im Sterben seine Kinder anempfehlen kann. Dann vollzog er noch einige fromme Handlungen und erwartete ruhig den Tod. Am 9. Mai 1688 hauchte er seine Seele aus, mit demselben heldenhaften Gleichmut, den er im Glückslauf seiner Siege so oft bewiesen hatte.

Er hatte sich zweimal vermählt. Luise Henriette von Oranien war die Mutter Friedrichs III., seines Nachfolgers. Dorothea von Holstein war die Mutter der Markgrafen Philipp Wilhelm, Albrecht und Ludwig, der Prinzessinnen Maria Amalie und Elisabeth Sophie2.

Friedrich Wilhelm besaß alle Vorzüge, die den großen Mann ausmachen, und die Vorsehung bot ihm jede Gelegenheit, sie zur Entfaltung zu bringen. Im jugendlichen Lebensalter, das sich in der Regel nur durch Verirrungen kennzeichnet, gab er Proben kluger Umsicht. Niemals mißbrauchte er seine Heldentugend. Seine Kühnheit ging immer nur darauf aus, seine Staaten zu verteidigen oder seinen Verbündeten beizustehen. Durch weiten Blick und tiefe Einsicht ward er ein großer Staatsmann. Durch sein arbeitsames und menschenfreundliches Wesen ward er ein guter Fürst. Den gefährlichen Verlockungen der Liebe war er nicht zugänglich; zärtliche Schwäche kannte er nur gegenüber der eigenen Gattin. Wein und Geselligkeit liebte er, doch gab er sich niemals der Schlemmerei hin. Sein lebhaftes, gern aufbrausendes Temperament konnte ihn fortreißen. Aber wenn er der ersten Aufwallung nicht Herr wurde, so meisterte er sicher doch die zweite, und sein Herz machte überreichlich wieder gut, was sein allzu hitziges Blut etwa verschuldet hatte. In seiner Seele wohnte die Tugend. Glück vermochte ihn nicht zur Überhebung zu verleiten, Schicksalsschläge konnten ihn nicht niederdrücken. Sein hochherziger, gütiger, edler, menschlicher Charakter verleugnete sich niemals. Er ward der Neubegründer und Verteidiger seines Vaterlandes, der Schöpfer von Brandenburgs Macht, der Schiedsrichter


1 Vgl. S. 97.

2 Nicht alle Kinder des Großen Kurfürsten sind aufgezählt.