<9>nannten Schriftsteller nur wenig gelesen, blieb die Geschichte Brandenburgs und Preußens so gut wie unbekannt.

Seit der Regierung Friedrichs I. machte sich das Bedürfnis nach einem Schriftsteller fühlbar, der diese Geschichte in eine annehmbare Gestalt brächte. Aus Holland ward Teissier berufen und mit der Aufgabe betraut1. Leider gab der statt einer geschichtlichen Darstellung einen Panegyrikus. Er wußte wohl nicht, daß Wahrheit so zum Wesen der Geschichte gehört wie zum menschlichen Leibe die Seele.

So fand ich eine leere, wüste Stätte und versuchte, darauf einen Bau zu errichten, einmal, um ein nützlich Ding zu schaffen, sodann, um der Nation das Geschichtswerk zu geben, das ihr fehlte. Die Tatsachen schöpfte ich aus den besten Quellen, die mir zugänglich waren. Für die graue Vorzeit griff ich auf Cäsar und Tacitus zu-rück, für die späteren zog ich die Chronik des Lockelius, Pufendorf und Hartknoch zu Rate. In erster Linie gestaltete ich meine Denkwürdigkeiten an der Hand der Chroniken und der echten Urkunden in den königlichen Archiven. Was ungewiß bleibt, habe ich als ungewiß berichtet. Lücken ließ ich offen, wie ich sie vorfand. Ich machte mir zum Gesetz, die Dinge unparteiisch und mit dem Auge des Philosophen zu betrachten; denn ich bin überzeugt, daß des Geschichtsschreibers vornehmste Pflicht ist, wahr zu sein.

Sollten empfindliche Gemüter sich verletzt fühlen, wenn ich ihre Väter nicht in vorteilhafter Weise schilderte, so kann ich nur das eine erwidern: Lobpreisen lag mir fern, ich wollte Geschichte schreiben! Es tut der Geltung ihres eigenen Wertes keinen Abbruch, wenn man die Fehler ihrer Vorfahren tadelt; das eine verträgt sich sehr wohl mit dem andren. Es ist übrigens nur allzu wahr: ein Werk, das nicht frei von allem Zwang geschrieben ward, kann nur mittelmäßig oder ganz wertlos sein; man frage darum nicht nach den Menschen, die vergänglich sind, sondern nur nach der Wahrheit, die niemals stirbt.

Vielleicht findet der eine oder andere meinen Abriß zu kurz geraten. Ihnen sei zur Antwort, daß es nie in meiner Absicht lag, ein großes, eingehendes Werk zu verfassen. Mag ein Professor, der den Kleinkram liebt, es mir verübeln, daß ich nirgends angebe, aus welchem Stoffe der Rock Albrecht Achills gewesen oder welchen Schnitt der Kragen Johann Ciceros gehabt hat; mag ein Regensburger Pedant den Kopf schütteln, weil ich keine Prozesse, Verhandlungen, keine Verträge und Friedenstraktate abgeschrieben habe, wie man sie sonst wohl in dickleibigen Büchern vorfindet. All diesen Leuten sei gesagt: für sie schreibe ich nicht. Einen Folioband herzustellen, dazu habe ich keine Zeit, kam ich doch schon mit meinem Abriß ins Gedränge. Überhaupt bin und bleibe ich der Meinung, daß eine Sache nur so weit der Niederschrift lohnt, wie sie wert ist, behalten zu werden.


1 Anton Teissier (1632 — 1715), aus Frankreich, siedelte 1692 nach Berlin über, Verfasser eines „Abrége de l'histoire des électeurs de Brandebourg“ (1705) und der „Vies des électeurs de Brandebourg, traduit du latin de Jean Cerntius“ (1707).