<96> keinesfalls in die Geschichte aufgenommen werden. Das Andenken der Großen soll man nicht mit derartigen Anschuldigungen besudeln, wenn man nicht den überzeugenden Nachweis ihrer Frevel in Händen hat.
Jedenfalls rechtfertigen die Tatsachen die Kurfürstin: Friedrich III. blieb am Leben. Er heiratete 1679 in erster Ehe Elisabeth Henriette, die Tochter des Landgrafen Wilhelm VI. von Hessen. Im Jahre 1684, nach ihrem Tode, vermählte er sich mit Sophie Charlotte, der Tochter des Herzogs Ernst August von Hannover und Schwester des nachmaligen Königs Georg von England.
Kurfürstin Dorothea hatte es mehr auf den Besitzstand des Kurprinzen Friedrich als auf sein Leben abgesehen. Es wird versichert, daß der Große Kurfürst sich auf ihre Einwirkung hin entschloß, ein Testament aufzusetzen, worin er alle Erwerbungen, die er während seiner Regierung gemacht hatte, unter seine Kinder zweiter Ehe teilte. Die österreichische Partei bediente sich geschickt dieses Testaments, um den neuen Kurfürsten gegen Frankreich einzunehmen. Der Kaiser verpflichtete sich, die väterliche Verfügung umzustoßen, unter der Bedingung, daß Friedrich III. ihm den Kreis Schwiebus zurückgab1. Im weiteren Verlauf der Geschichte werden wir sehen, wie dies Abkommen durchgeführt wurde.
Der Regierungsanfang Friedrichs III. fiel in eine neue Kriegsepoche. Ludwig XIV. war der Störenfried. Er forderte einige pfälzische Ämter, die angeblich der Herzogin von Orleans zukamen2. Auch führte er Klage über den Schimpf, den die deutschen Fürsten ihm zugefügt hätten, indem sie sich zu Augsburg gegen Frankreich verbündeten3. Schließlich erklärte er es für ein Gebot der Ehre, die vom Kaiser angefochtene Wahl des Fürsten von Fürstenberg zum Kurfürsten von Köln durchzusetzen4.
Der Kriegserklärung folgten die Feindseligkeiten. Marschall Duras besetzte Worms, Philippsburg und Mainz. Der Dauphin5 unternahm persönlich die Belagerung von Mannheim und Frankenthal (1688). Vor Ablauf des ersten Kriegsjahres war fast der ganze Lauf des Rheins unter französischer Herrschaft.
Der Kurfürst legte Frankreich allen Kummer zur Last, den er seiner Stiefmutter verdankte, da sie aus eigennützigen Gründen Friedrich Wilhelm auf die Seite Ludwigs XIV. gezogen hatte. Friedrich war von einem blinden Haß gegen alles Französische erfüllt. Die Anhänger des Kaisers erhielten ihn sorgsam in dieser Stimmung, die ihnen nur Vorteile bringen konnte. Sie steigerten sie sogar noch, indem sie das Phantom einer Weltmonarchie Ludwigs XIV. beschworen und halb Europa damit behexten. Durch dies kindische Treiben wurde Deutschland oftmals aufgeregt und in Kriege gestürzt, die ihm völlig fern lagen. Da aber die Schneide der besten
1 Das Testament, vom 16. Januar 1686 datiert, wurde am 31. Januar zur Bestätigung an den Kaiser geschickt und von diesem am 10. April bestätigt. Die Rückgabe des Kreises Schwiebus (vgl. S. 87) steht indessen mit dem Testament in keinem Zusammenhang.
2 Vgl. S. 87.
3 Vgl. S. 88.
4 Vgl. S. 88.
5 Ludwig († 1711).