<X> Gegenüberstellungen alter und neuer Zeiten werden verlangt, sobald es sich darum handelt, den Fortschritt der Entwicklung zu kennzeichnen.

Zu den fremden treten die eigenen Vorarbeiten Friedrichs, eigenhändige Aufzeichnungen, in denen mit knappen Stichworten der Gang der künftigen Darstellung skizziert wird. So liegt uns ein eigenhändiger Entwurf für die Geschichte des Großen Kurfürsten vor.

Bei der Ausarbeitung verfuhr der König in der Weise, daß er sich an seine Vorlage — sei es ein von seinen Ministern verfaßter Auszug aus den Akten, die Schilderung einer politischen Verhandlung oder ein Schlachtbericht — eng anschloß. Nicht nur einzelne Wendungen, sondern oft auch ganze Sätze wurden fast Wort für Wort oder doch dem Sinne nach übernommen.

Trotz aller Abhängigkeit Friedrichs von seinen Vorlagen ist dennoch ein großer Unterschied zwischen diesen und seiner Darstellung zu konstatieren. Jene Auszüge der Minister schildern in chronologischer Folge, Schritt für Schritt den Gang der Dinge, der Unterhandlungen; sie exzerpieren die einzelnen Erlasse und Berichte. Dem König hingegen kommt es nur auf den hauptsächlichen Inhalt an; der Verlauf der Ereignisse im einzelnen ist ihm gleichgültig. Er verweilt nur bei den Höhepunkten der Entwicklung. Damit erhebt er die ihm vorliegenden aktenmäßigen Auszüge auf das Niveau künstlerischer Darstellung. Doch nicht genug damit: er begleitet sie mit Betrachtungen politischer oder militärischer Art. Ein schlagendes Beispiel bilden die Wischen Erörterungen, die er in der „Geschichte meiner Zeit“ an die Schlachtschiliderungen knüpft. Ferner werden eigene Erinnerungen und Erlebnisse in die Erzählung verwoben. Endlich sind die Charakteristiken zu nennen, die er von den bedeutendsten Persönlichkeiten entwirft, die sich, wie in dem biographischen Abriß des Großen Kurfürsten, zu einem breit ausgeführten Charaktergemälde, zu einer Parallele zwischen Friedrich Wilhelm und Ludwig XIV. erweitern 1. Das alles ist Friedrichs geistiges Eigentum. Um es kurz zu sagen: jene Aktenauszüge und fremden Vorarbeiten, die er zugrunde legt, sie sind nur das Rohmaterial, aus dem er als „Architekt“, wie er sich selber einmal nennt, den kunstvollen „großen Bau“ aufführte.

Das Bild wäre unvollständig, gedächten wir nicht auch der Mängel seiner Darstellung. Sie liegen in seiner Sorglosigkeit gegenüber dem Detail. Dies ist in seinen Augen nebensächliches Beiwerk, das er mit souveräner Verachtung behandelt. So finden sich denn zahlreiche falsche Namen und Daten. Zwar hat er einige Irrtümer nachgeprüft, auf die Voltaire ihn hinwies. Aber ihnen stehen andere Fälle gegenüber, wo er jede Korrekur schlechthin ablehnte.

Ebensowenig stimmen seine Zitate genau, sind die Briefe und Urkunden, die er in den Text einschiebt, ganz wortgetreu. Nur um den Sinn ist es ihm zu tun; auf den Wortlaut legt er keinerlei Gewicht. Denn, um es noch einmal zu wieder-


1 Vgl. S. 89 ff.