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Einleitung

Das Haus Brandenburg oder vielmehr das Haus Hohenzollern ist so alt, daß sein Ursprung sich im Dunkel der Vorzeit verliert. Sagen und Vermutungen lassen sich über seine Herkunft genug beibringen, doch dergleichen gehört nicht vor ein urteilsfähiges und aufgeklärtes Publikum in unserem Zeitalter. Wenig Wert legen wir auch darauf, wenn Genealogen dies Haus von den Colonna herleiten, und wenn sie dabei den groben Schnitzer begehen, das Zepter des brandenburgischen Wappens für die Säule zu halten, die jenes italienische Haus in seinem Schilde führt. Ebensowenig will es uns bedeuten, daß man die Grafen von Hohenzollern von Wittekind abstammen läßt, von den Welfen oder sonst welchem Geschlecht. Die Menschen, meine ich, sind allzumal eines Stammes, eines recht alten. Schließlich sind genealogische Untersuchungen ebenso wie etymologische Forschungen derartiger Kleinkram, daß sie schon um deswillen nicht würdig sind, einen denkenden Kopf zu beschäftigen. Tatsachen wollen wir sehen, Tatsachen von Belang, Dinge, die imstande sind, die Aufmerksamkeit vernünftiger Leute zu fesseln. So verzichten wir auf das Vergnügen, uns über diese ebenso nichtigen wie reizlosen Forschungen den Kopf zu zergrübeln.

Thassilo ist der erste Graf von Hohenzollern, von dem die Geschichte weiß. Er lebte etwa um 800. Seine Nachkommen waren Danko, Rudolf I., Otto, Wolfgang, Friedrich I., II. und III., Burchard, Friedrich IV., Rudolf II., deren Lebensgeschichte ganz im Dunkel bleibt12-1. Konrad, der ums Jahr 1200 lebte, ist der erste Burggraf von Nürnberg, dessen die Geschichte gedenkt. Seine Nachfolger waren Friedrich I. im Jahre 1216, Konrad II. 1260, Friedrich II. 1270. Vom dritten Friedrich vernehmen wir, daß er von seinem Schwager, dem Herzog von Meran, die Herrschaften Bayreuth und Kadolzburg erbte. Johann I. folgte 1298 und ihm Friedrich IV. im Jahre 1332.

Burggraf Friedrich leistete den Kaisern Albrecht, Heinrich VII. und Ludwig dem Bayern wertvolle Dienste im Kriege mit Friedrich von Österreich. Der Burggraf schlug diesen, nahm ihn gefangen12-2 und lieferte ihn in des Kaisers Hand, der ihm<13> zum Danke dafür sämtliche Österreicher schenkte, die jener zu Gefangenen gemacht hatte. Friedrich ließ sie frei unter der Bedingung, daß sie von ihm ihren Besitz als Lehen empfingen — der Ursprung der Vasallen, die die fränkischen Markgrafen noch in Österreich besitzen13-1.

Auf Friedrich IV. folgten Konrad IV. im Jahre 1334, Johann II. 1357, Albrecht der Schöne im Jahre 136113-2 und dessen Neffe, Friedrich V., den Kaiser Karl IV. im Jahre 1363 auf dem Reichstage zu Nürnberg zum Reichsfürsten ernannte, ja den er zum Reichsverweser einsetzte.

Friedrich V. teilte im Jahre 1397 den Landbesitz seiner Burggrafschaft unter seine beiden Söhne, Johann III. und Friedrich VI. Doch da Johann kinderlos starb, fiel das ganze väterliche Erbe an Friedrich VI.

Dieser drang im Jahre 1408 mit seiner Heeresmacht in das Gebiet der Stadt Rothenburg ein, die sich im Reichsbann befand, und brach mehrere Burgen. Im Jahre 1412 trat er die Herrschaft der Mark an, die ihm Kaiser Sigismund verliehen hatte.

Die letzten Kurfürsten von Brandenburg hatten ihren Sitz nicht in der Mark genommen. Deshalb spielte der Adel dort den Herrn, unbotmäßig, trotzig und aufsässig, wie er war. Da schloß der neue Statthalter einen Bund mit den pommerschen Herzögen und lieferte den Aufrührern eine blutige Schlacht bei Zossen13-3. Er ward ihrer völlig Herr und brach etliche ihrer Burgen, in die sie sich geworfen hatten. Mit dem Geschlechte der Quitzows ward er erst fertig, nachdem er ihnen vierundzwanzig feste Schlösser genommen hatte.

Damit treten wir in die glorreiche Epoche des Hauses Hohenzollern ein; doch da es nunmehr in einen neuen Boden verpflanzt ist, empfiehlt es sich, eine Vorstellung von den Anfängen Brandenburgs und von seiner Verfassung zu geben.

Die Länder, die damals die Mark Brandenburg bildeten, waren die Altmark, die Mittelmark, die Neumark, die Uckermark und die Priegnitz; doch war die Neumark dem Deutschen Orden verpfändet, während den Besitz der Uckermark sich die pommerschen Herzöge angemaßt hatten. Das Wort Markgrafschaft bezeichnet ursprünglich Grenzherrschaft.

Zuerst setzten die Römer Statthalter in den von ihnen eroberten Ländern Germaniens ein. Doch wohlgemerkt: die Elbe haben sie nie überschritten; ihr ungebärdiger, kriegerischer Sinn scheint nach Tacitus die dortigen Völkerschaften andauernd gegen die Unternehmungen der Römer gesichert zu haben. Die Sueben, die ältesten Bewohner der Mark, wurden durch die Wandalen, Heneter, Sachsen und Franken verjagt. Karl der Große hatte seine Not, sie zu unterjochen; es war dies im Jahre 789. Erst 927 setzte Heinrich der Vogler Markgrafen in jene Gebiete, um die aufruhr<14>lustigen Völker in Zucht zu halten, ebenso aber ihre Nachbarn, deren abenteuernde Tapferkeit sich in Einfällen und Raubzügen entlud. Siegfried, der Schwager Kaiser Heinrichs, war nach Enzelt14-1 der erste Markgraf von Brandenburg im Jahre 927. Unter seiner Regierung wurden die Bistümer Brandenburg und Havelberg durch Kaiser Otto den Großen gestiftet, erst 28 Jahre nachdem dieser das Erzbistum Magdeburg gegründet hatte14-2.

Neun verschiedene Fürstenhäuser, die brandenburgische Markgrafen stellten, zählt man von Siegfried bis auf unsere Tage, nämlich: Sachsen, Walbeck, Stade, Plötzke, Anhalt, Bayern, Luxemburg und Meißen, zuletzt das Haus Hohenzollern, das heute noch besteht.

Unter den sächsischen Grafen verwüstete ein wendischer Fürst namens Mistiwoi die Marken völlig und verjagte ihre Herren. Kaiser Heinrich II. mußte das Land zurückerobern, die Barbaren wurden aufs Haupt geschlagen, und Mistiwoi fand mit 6 000 der Seinen den Tod. Die Markgrafen waren nun zwar wiedereingesetzt, aber eines ungestörten Besitzes von Brandenburg sollten sie sich darum doch nicht erfreuen. Jetzt gab es Kriege gegen die Wenden und andere barbarische Völker, in denen sie bald unterlagen, bald die Oberhand hatten. Ihre Macht befestigte sich erst unter Albrecht dem Bären14-3, dem ersten aus dem Hause Anhalt, das unter den Markgrafenhäusern das fünfte war. Kaiser Konrad III. erhob ihn zum Markgrafen, Friedrich Barbarossa zur Kurwürde etwa ums Jahr 110014-4. Der Wendenfürst Pribislaw, der kinderlos war, faßte eine so freundschaftliche Zuneigung zu Albrecht dem Bären, daß er ihm im Jahre 1144 die Mittelmark testamentarisch vermachte. Albrecht besaß damals die Altmark, die Mittelmark, Obersachsen, das Anhaltsche Land und einen Teil der Lausitz.

Nun kommen wir an eine Lücke in unseren Archiven: über der Geschichte der Fürsten vom anhaltinischen Stamme ruht ein nicht aufzuhellendes Dunkel. Man weiß, daß diese Linie im Jahre 1320 mit dem Tode Waldemars erlosch. Der damals regierende Kaiser Ludwig der Bayer sah in der Mark ein erledigtes Reichslehen und gab sie an seinen Sohn Ludwig, den ersten vom sechsten Markgrafengeschlechte (1323). Der hatte drei Kriege zu bestehen, einen mit den Herzögen von Pommern, die in die Uckermark einbrachen; einen mit den Polen, die die Grafschaft Sternberg verwüsteten; den dritten mit einem Betrüger, der sich den Namen Waldemars, des Oheims des letzten Anhaltiners, anmaßte, sich einen Anhang zu schaffen wußte und einige Städte in seine Gewalt bekam, aber doch zuletzt überwältigt wurde (1348). Dieser falsche Waldemar war der Sohn eines Belitzer Müllers.

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Ludwig der Römer15-1 folgte seinem Bruder. Als auch er kinderlos starb, kam der dritte Bruder, Otto, an die Reihe. Dieser Fürst war so schwächlichen Sinnes, daß er nach dem Tode seines Bruders im Jahre 1373 die Mark für 200 000 Goldgulden an Kaiser Karl IV. aus dem Hause Luxemburg verkaufte, der ihm aber nicht einmal diese mäßige Kaufsumme auszahlte. Karl IV. gab die Mark seinem Sohne Wenzel, der sie seinem Königreich Böhmen einverleiben wollte.

Nach Wenzels Tode erhielt Sigismund aus dem nämlichen Hause die Kurmark15-2. Die Neumark, die der Deutsche Orden seinerzeit, im Kampfe gegen Kurfürst Johann erobert und die Otto der Lange durch Kauf wieder an sich gebracht hatte, ward aufs neue an den Orden veräußert: Sigismund, der Geld brauchte, verkaufte das Land im Jahre 1402 an die Ritter. Auf Sigismund folgte Jobst. Man behauptet, er habe seinen Bruder Prokop vergiftet. Da Jobst nach der Kaiserwürde strebte, so verkaufte er die Kurmark für 400 000 Gulden an Herzog Wilhelm von Meißen. Der besaß sie indessen nur ein Jahr lang, worauf Kaiser Sigismund sie zurückerwarb.

Die merkwürdige Gepflogenheit des Kaufs und Verkaufs von Staaten, die in jenem Jahrhundert so sehr im Schwange war, zeigt recht deutlich den Tiefstand der damaligen Gesittung und auch den elenden Zustand dieser Länder, die man so wohlfeil erwerben konnte.

Der Kaiser, der sich selbst der Verwaltung der Kurmark nicht annehmen konnte, setzte dort einen Statthalter ein. Seine Wahl fiel auf Friedrich VI., Burggrafen von Nürnberg, den Bruder Johanns III. aus dem Hause Hohenzollern. Die Geschichte Friedrichs VI. wollen wir jetzt schreiben.


12-1 Die Angaben über die ältesten Hohenzollern sind unhistorisch.

12-2 In der Schlacht bei Mühldorf (1322).

13-1 Erst durch den Frieden von Teschen (1779) wurde das Lehnsverhältnis aufgehoben.

13-2 Die Jahre 1334, 1357 und 1361 bezeichnen vielmehr das Ende der einzelnen Regierungszeiten.

13-3 Schlacht am Kremmer Damm (1412).

14-1 Christoph Entzelt († 1583), Verfasser des Werkes „Altmärkische Chronica“ (1579).

14-2 Die Bistümer Havelberg und Brandenburg wurden 946 und 948, das Erzbistum Magdeburg 968 gegründet.

14-3 Kaiser Lothar belehnte 1134 Albrecht den Bären mit der Nordmark.

14-4 Erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ist die Kurwürde mit der Mark Brandenburg ständig verbunden.

15-1 Anmerkung des Königs: „Er führte diesen Namen, well er in Rom geboren war.“

15-2 Bereits nach der Wahl Wenzels zum Römischen König (1378) erhielt Sigismund die Mark, der sie aber 1388 an den Markgrafen Jobst von Mähren verpfändete und nach dessen Tod (1411) den Hohenzollern übertrug.