<131>Bei dir, d'Argens, begreif' ich's immerhin,
Wenn dir dein Leben teuer ist:
Ein stiller Lebenskünstler, der du bist,
Der von Ambrosia lebt, da hat es Sinn:
Schoßkind der Künste, stets gewiegt
Von Melodien, stets umschmiegt
Von Grazienanmut, Musenhuld.
In schönem Gleichmaß fließt dein Leben,
Maßvoll und ohne Ungeduld
Ist all dein Wünschen und Bestreben;
Und so gefeit
Vor Furcht und Neid,
Vor Herzeleid und Bitternis,
In feingestimmtem Wechsel holder Freuden
Hat deine Lebensweisheit hier euch beiden,
Dir und der liebsten aller lieben Frauen,1
Verstanden, eine kleine Welt zu bauen,
Darinnen sich's behaglich thronen ließ,
Ein rechtes Müßiggängerparadies.
Mich reißt der Wildsirom der Begebenheiten
Hindann, wehrlos hindann.
Mit muß ich, ungefragt, ob ich noch kann,
Im Strudel ewiger Widerwärtigkeiten.
Aufs Haupt geschlagen, rings umstellt,
Unstet und flüchtig in der weiten Welt,
Verraten von der Freunde Niedertracht —
So frag' ich mich in meiner Harmesnacht:
Ob wohl Prometheus so gebüßt
In jener Welt, der all in seinem Leid
Nur ein Gebild der wunderreichen Sage ist —
Wie ich in dieser Welt und Wirklichkeit.
Nun ist's genug. Wer tief im Kerker schmachtet,
Verargst du's ihm, wenn er zum Lichte trachtet?
Zu lang des rohen Schicksals Beute schon,
Hat sich sein hoher Sinn emporgerafft,
Der Wachsamkeit der Schergen lacht er Hohn
Und bricht die Haft!
1 Am 21. Januar 1749 hatte d'Argens sich mit der Schauspielerin Babet Cochols vermählt.