<214>

69. Epistel auf meine Genesung
(3. April 1770)

O hoffnungsvolle Stunden!
Glückseliges Gesunden!
Die böse Marterzeit
Des Siechtums ist geschwunden. 1
Nun fühl' ich mich befreit
Und jag' den Schmerz von bannen,
Den schrecklichen Tyrannen.
O sonnige Heiterkeit!
Mich schienen hundert Dolche zu durchbohren,
Ich gab mich an den Tartarus verloren,
Und der Erinnyen bleicher Chor umstand
Mein hartes Bett und hielt mich festgebannt
Und folterte den schwachen Leib mit Qualen,
Wie sie nicht schlimmer rohe Henkershand
Für ihre Opfer grausam ausersehn.
Kaum hielt ich den brutalen
Angriffen stand, ließ alle Greul geschehn
Und lag wie ein bejammernswerter Schächer
Schon halb in Todeswehn.
Der Atem wurde schwächer,
Jedwede Freude war von mir geflohn,
Mir half kein Tröster und kein Segensprecher,
In meine Hölle drang kein Mitleidston.
An vierzehnmal stieg über Wall und Dächer
Die Sonne und durchhuschte die Gemächer;
An vierzehnmal umschleierte die Nacht


1 Drei aufeinanderfolgende Gichtanfälle hatten den König, wie er am 4. April 1770 der Königin Ulrike von Schweden schreibt, „so grausam“ heimgesucht, daß er „kaum noch die Feder halten kann“.