<215>Mit schwarzem Hang die goldne Sonnenpracht,
Und Ruhe brachte mir kein Schlummerbecher.
Die Augen irrten durch den dunkeln Raum,
Mein Hirn durchtobten wilde Wahngedanken,
Der Seele Gleichgewicht geriet ins Wanken,
Ich träumte bösen Traum!
Ich sah, wie Charon schon anrudernd keuchte,
Mich abzuholen, als ein braver Sohn
Des Äskulap1 den lästigen Patron
Mit kluger Wehr verscheuchte.
Der kennt nicht die Gesundheit,
Der sie, ein lockrer Tor,
Vergeudet in des Daseins lustiger Buntheit.
Der schätzt sie erst, der sie einmal verlor.
O Wonnetag! O Neugeburt der Seele!
Ich kehr', o Welt, zurück!
Und wie ich mich zu neuer Hoffnung stähle,
Genieß' ich reicher nun das Erdenglück.
Sieh, Schwester, wie's das Schicksal gut gemeint hat:
Dich seh' ich wieder, die um mich geweint hat! 2
Ein Wort von Deiner Hand:
Mein Leiden war gebannt.
Und daß ich atme, lebe
Und schmerzbefreit vom Lager mich erhebe,
Der Freundschaft dank' ich's, die sonst Fürsten flieht,
Und die Dich zu mir zieht.
Nun darf ich mich am Vorgefühl berauschen,
Daß ich erneuern unseren treuen Bund,
Dich sehen soll und lauschen
Dem Wort aus Deinem Mund!
Was böt' das Erdenrund
Mir Beßres einzutauschen?
1 Wohl sein Leibarzt Christian Andreas Cothenius.
2 Wie der König des öfteren auf seine alten Dichtungen zurückgriff, so gehören auch diese und die folgenden Strophen offenbar einem Gedicht an seine Schwester Wilhelmine von Bayreuth aus dem Jahre 1747 an, wo er ebenfalls von schwerer Krankheit befallen wurde (vgl. S. 87). Damit erklärt sich auch die Anrede an die Schwester und die Hoffnung auf das Wiedersehen, das im August 1747 stattgefunden und einer mehrjährigen gegenseitigen Entfremdung ein Ende gesetzt hatte.