<219> Wer könnt' es auch? Der Schriftgelehrten Schar? Sie bringt mir wohlbezahlten Weihrauch dar.
Es finden hier sich wie in Frankreich Narren,
Bigotte, Stümper, Leute voll von Sparren;
Verschieden ist der Menschen Angesicht,
Jedoch ihr Geist, ihr Herz, ihr Innres nicht;
Das Lächerliche bleibt sich gleich auf Erden.
Soll ich zum Popanz des Parisers werden,
Der ausruft unter schallendem Applaus:
Seht, seht, wie sieht er echt chinesisch aus!
Was kümmert's mich, wenn der Sorbonne Perücken
Scotus1 und Aristoteles zerpflücken,
Confucius schmähn, zum Vorteil Saint Denis',
Die Hölle füllend wie das Paradies,
Weil eines Tonsurierten krauses Träumen
Gericht hält in erfundnen Himmelsräumen.
Mein Heller Kopf, den Irrtum nie beschlich,
Lacht jener Welt und hält an diese sich.
Hier fühlt sich jeglicher Chines geborgen,
In Tugend stark, doch schwach in Glaubenssorgen;
Er liebt die Wahrheit, ist Fiktionen feind,
Bleibt starr bei dem, was er nun einmal meint,
Und überläßt den Kult, den längst profanen,
Den Bonzen und unwissenden Brahmanen.
Inzwischen schmück' ich meinen Müßiggang
Mit müheloser Verse Kling und Klang
Und seh' mit himmlisch friedlichem Empfinden
Im Blauen just Frau Famas Bild entschwinden;
Es fehlt an Kraft ihr, scheint's, landaus landein
So großer Werke Heroldin zu sein.
Am Schwarzen Meer muß Katharinen weichen,
Der hohen Nachbarin, des Halbmonds Zeichen,2
Von Donau bis Araxes hält im Bann
Ihr weis Gesetz den stolzen Muselmann.
Fortunas kann ihr Genius entraten,
1 Der englische Scholasiiler Johann- Duns Scotus († 1308).
2 Anspielung auf den russischtürkischen Krieg, der Ende 1768 ausgebrochen war und 1774 durch den Frieden von Kutschuk-Kainardsche beendet wurde (vgl. Bd. V, S. 16 ff. und 49).