73. Epistel an den Grafen Hoditz zu Roßwalde1
(26. März 1771)
Roßwalde, Euren Erbsitz muß ich preisen
Und was durch Eure Saat in Blüte schoß!
Dies Landhaus, das die Grazien umkreisen,
Vergleich' ich mit der Circe Zauberschloß.
Bisher mißachtet, ward's durch Eure Hand
Vom Tanais zum Ebro weltbekannt.
Nicht mehr die finstre Burg, die weltverloren,
Kaum als Ruine dünkte sehenswert,
Ein Göttersitz, uns Sterblichen beschert,
Ein Lustasyl für Augen ist's und Ohren!
Wohl könnt' auf solchen Bau in solchem Hain
Ein Ariosi, ein Tasso, neidisch sein.
Mit höchst erfinderischem Künstlergeist
Wird das Erstaunlichste dem Gast geboten.
Und alles lebt und atmet. Aus dem toten
Gehölz erstand ein Park, der Wunder weist,
Der schönste Garten, und im rosenroten
Gebüsch ein Mal, drauf ein Orakel gleißt.
Als Eure Dienerin schafft die Natur
1 Graf Albert Joseph Hoditz, Herr von Roßwalde (1706—1778). Der König war bei ihm am 2. und 3. September 1770 in Roßwalde zu Gaste gewesen, als er zur Begegnung mit Kaiser Joseph II. nach Mährisch-Neustadt reiste (vgl. Bd. V, S. 22 f.). Auf seine Einladung wellte Hodttz im März und April 1771 zu Besuch in Potsdam. Der Anfang der „Epistel“ ist fortgelassen.