<243>Ganz so verfährt die tapfre Knesebeck!
So manche wäre unter heftigem Pochen
Des Herzens feig in Tränen ausgebrochen.
Sie aber, ohne Spur von Schreck
Und ohne einen Augenblick die Lehre
Vom Gleichgewichte zu vergessen, springt,
Als ob es täglich ihre Übung wäre,
Herunter vom Gefährt — der Sprung gelingt,
Indes die wilden Renner mit dem Wagen
In jäher Flucht von bannen jagen ...

Wie schade, daß für all den Ruhm,
Den wohl verdient so seltnes Heldentum,
Es uns an edler Sangeskunst gebricht,
Und daß das Spreeland leider nicht
Uns Dichter zeugte wie das Land am Po!
Manch einen Helden schon vergaß man so!
Und manch Begebnis mußte längst verblassen,
Hätt' es ein Dichter nicht erinnerungsfroh
In schönen Versen neu erblühen lassen.
Held Alexander lebt in aller Munde,
Was jener andre kaum erhoffen darf,
Der groß wie er, waghalsiger im Grunde,
Allein ganz Asien unterwarf.
Warum blieb Tamerlan so unbekannt?
Nur, weil in der Levante sich bisher
Kein Quintus Curtius,1 kein Homer
Zu seines Heldenruhms Verbreitung fand . . .

Und muß ich schmerzlich auch beklagen,
Daß meiner Muse leider nie
Der Gott der Dichtkunst seine Gnade lieh,
So kann ich's doch mir nicht versagen,
Die Wahrheit in die Welt zu tragen:
Daß Frauen auch in Preußen Lob und Ruhm,
Und oft in höherm Maß, verdienen,
Als, allzu rasch begeistert, ihnen
Zuschrieb das sehr geschwätzige Altertum.


1 Quintus Curtius Rufus, der Verfasser der „Historiae Alexandri Magni“.