82. Das Dasein Gottes1
Unde? Ubi? Quo?
Wo kam ich her? Wo bin ich? Wohin geh' ich?
Ich weiß es nicht. Montaigne sagt: „Was versteh' ich?“
Jeder Gelehrte, wenn wir ihn befragen,
Kann frei von Eitelkeit nichts weiter sagen.
Von wo aus sah' ich auch die Dinge scharf,
Ich, den das Gestern in das Weltall warf,
Ein Wesen, das der Zufall nur gebar?
Ein Etwas ist, wie es von jeher war;
Sein muß es, wär' es Körper oder Geist:
Das ist das einz'ge, was sich klar erweist.
Ich armes Wesen, wenn auch eng beschränkt,
Erstaunt von allem und vor allem blind,
Bin etwas doch, das fühlt und will und denkt
Und sich ein Ziel setzt, was es auch beginnt.
Und der Allmächtige, der diese Welt
Und mich erschuf und alles rege hält,
Der sollte keinen Zweck und Willen haben?
Er könnte mich mit Geisteskraft begaben
Und sollte selbst vernunftlos sein?
Jedoch ihr fragt, ob Pest und Kriegespein,
Die Leiden all in Leibern und in Seelen,
Ob Durst und Hunger, Gicht und Stein,
Der Menschheit Henker, die uns grausam quälen,
Ob Hagel, Donnerschlage und Orkane,
Zahllose Gifte und der Erde Beben,
Taifune, Wirbelstürme und Vulkane
Ein Vater seinen Kindern zum Geschenk gegeben?
1 Vgl. dazu S. 32 ff. Das Gedicht stammt aus den letzten lebensjahren des Königs.