4. An Prinzessin Wilhelmine
Zu lhrer Vermählung mit dem Erbprinzen Friedrich von Bayreuth1
(November 1731)
Wieder greif', 0 Muse, ich zur Leier,
Denn ich spür' in mir ein göttlich Feuer.
Ihr gelehrten Schwestern, laßt Euch bitten:
Führt die Feder mir, daß mutgestählt
Aller Mitwelt sie es frei erzählt,
Was an Kummer, Unglück ich erlitten.
Zweimal zog die Erntezeit vorüber,
Feuchte Nebel folgten, trüb und trüber.
Nach des Sommers heißen Sonnengluten;
Zweimal sah ich schmelzen schon den Schnee,
Und die Wasser, schwellend wie ein See,
Stiegen, alles Land zu überfluten.
Wie mit bangen Seufzern und mit Trauern,
Eingeschlossen hinter Kerkermauern,
Ich mir Trost gesucht in meinen Schmerzen —
Öd und leer nur kann den Trost ich nennen.
Wer auch sollte Gram und Leiden kennen,
Die ich berge still in meinem Herzen?
Bitter klage ich, Dir fern zu sein;
Traumverloren denke ich allein,
1 Da Kronprinz Friedrich anfänglich nicht darauf rechnete, die Erlaubnis seines Vaters zur Teilnahme an der Vermählung seiner Schwester, die am 23. November 1731 in Berlin stattfand, zu erhalten, sandte er ihr aus Küstrin das obige Gedicht.