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21. An Jordan
(10. Juni 1742)

Als ich geboren ward, ward ich der Kunst geboren,
Die heiligen neun Schwestern reichten mir die Brust,
Und für des Herrschers Hochmut schien dies Herz verloren,
Das voller Mitleid war und kindlich unbewußt.
Die ganze Welt war mir ein Garten duft'ger Blumen,
Die voller Zärtlichkeit mein durstig Aug' umfing,
Und Kränze wand ich, streute Vögeln Krumen,
Und dachte Mädchen, wo ich stand und ging.

Da riß das Schicksal mich aufs große Welttheater,
In der Tragödie „Krieg“ ward mir der Heldenpart;
Mein Ruhm brach auf wie Lava aus umwölktem Krater
Und riß mich sonnenwärts in unerhörter Fahrt,
Und als ich einmal erst geopfert am Altare,
Darauf das süße, heiße Ruhmesfeuer glomm,
Da schwieg das Schäferlied vorm Gellen der Fanfare,
Und immer schnellern Schritts ich aufwärts klomm.

Doch bald erkannte ich des Ruhmes wahres Wesen:
Ein Leviathan schwamm er in dem Meere Blut,
Zerfetzte Leiber sah ich rings um ihn verwesen,
Die seinem grausen Dienst geschlachtet als Tribut.
Sein Schlummerlied blies ihm betäubend die Drommete,
Sein Denkmal türmte er aus dem, was er geraubt;
Als Weihrauch schlürfte er den Rauch verbrannter Städte,
Aus Tränenkraut fiocht er den Kranz ums wilde Haupt.

Nein, meinem Herzen fremd sind Neros Grausamkeiten,
Und meiner Freunde Blut ist diesem Herzen Gift.