<98>In diesem Labyrinth, wo immer schwächer
Vernunft dir leuchtet und zuletzt verlischt,
Verirrst du dich und endest als Verbrecher!

So löst vom Berghaupt sich im Sonnenstrahl
Ein wenig Schnee und rollt hinab ins Tal;
Doch wie es rollt, so wächst es dichtgeballt,
Und die Lawine stürzt mit Allgewalt.
So zeugt das erste Unrecht rasch das zweite
Und reißt uns stürmisch weiter, schwer und schwerer;
Unsre Verderbtheit drängt hinaus ins Weite,
Der Schüler des Verbrechens wird zum Lehrer,
Und überall das Lasier übend, enden
Wir abgrundtief, umstarrt von Felsenwänden!

Jedoch in dieser bösen Welt — so lehrt
Uns Machiavell — ist Tugend ganz verkehrt.
Umringt von Schurken, tut uns Arglist not;
Betrug verdient, wer mit Betrug uns droht.
Doch der beschönigt nur sein arges Herze,
Und was ihm Unschuld, mir ist's Höllenschwärze.
Er bildete sein schändliches Idol
An Borgia,1 an Cartouche2 und Mohammed.3
Gewunden spricht er, trügerisch-beredt,
Zeigt sich als Frömmler bald und bald frivol.
Und Heuchlermienen weiß er aufzusetzen,
Um dreist den blöden Pöbel zu verhetzen.
Wohlweislich bettet seine Schurkenhand
In Blumenzier die Schlingen, die er spannt.

Doch ist des Schelmes Glück nicht von Bestand!
Mit ränkevollem und verlognem Sinn
Strebt er versteckt zu jedem Ziele hin;
Allein der Zauber ist gar bald verblaßt:
Die Gaunerkniffe treten rasch zutage,
Die Augen gehen auf mit einem Schlage:
Mag er denn dunkel, seinem Volt verhaßt,
Ein Aussatz von Florenz, im Staube kriechen


1 Vgl. Bd. VII, S. 26. ff.

2 Vgl. Bd. VII, S. 33.

3 Vgl. Bd. VII, S. 23.