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4. An Prinzessin Wilhelmine
Zu lhrer Vermählung mit dem Erbprinzen Friedrich von Bayreuth7-1
(November 1731)

Wieder greif', 0 Muse, ich zur Leier,
Denn ich spür' in mir ein göttlich Feuer.
Ihr gelehrten Schwestern, laßt Euch bitten:
Führt die Feder mir, daß mutgestählt
Aller Mitwelt sie es frei erzählt,
Was an Kummer, Unglück ich erlitten.

Zweimal zog die Erntezeit vorüber,
Feuchte Nebel folgten, trüb und trüber.
Nach des Sommers heißen Sonnengluten;
Zweimal sah ich schmelzen schon den Schnee,
Und die Wasser, schwellend wie ein See,
Stiegen, alles Land zu überfluten.

Wie mit bangen Seufzern und mit Trauern,
Eingeschlossen hinter Kerkermauern,
Ich mir Trost gesucht in meinen Schmerzen —
Öd und leer nur kann den Trost ich nennen.
Wer auch sollte Gram und Leiden kennen,
Die ich berge still in meinem Herzen?

Bitter klage ich, Dir fern zu sein;
Traumverloren denke ich allein,
<8>Wie ich kürze diese Trennungsfrist.
Immer find' ich einzig mich, Dich suchend,
Und mein trauriges Geschick verfluchend,
Da mir fern, was mir das Liebste ist.

Gleichwie lauschend aus dem tiefen Hag
Wir vernehmen Nachtigallenschlag,
Sang und Lied der treuen Philomele,
Die, sich bergend scheu in ihrem Nesi,
Ihren Klageruf erschallen läßt
Ohne Unterlaß aus voller Kehle —

Also tönen Flur und Echo wieder
Meine Seufzer, meine Klagelieder,
Die ich sing' in meiner Leiden Nacht.
Und es ruft mir jeder Augenblick
Meiner Trennung Qual ins Herz zurück,
Wie der Liebe Glut sich neu entfacht.

Von dem Ebro bis zu Indiens Strand
Nie ein Unglückseliger sich fand,
Der gelitten solche große Not;
Da des Liebsien ich beraubt mich seh',
Sieche trauernd ich dahin vor Weh;
Ach, umsonst nur rufe ich den Tod.

Aber wie? Zu trauern mich gelüstet,
Da man sich zu frohen Festen rüstet?
Und statt frohgesitmmter Freudenweisen,
Wie es sich gebührt an solchen Tagen,
Hab' für meine Fürstin ich nur Klagen,
Weiß ich ihre Tugend nur zu preisen?

Fühl' ich mich als mäßigen Poeten,
Macht die Liebe doch mich zum Propheten,
Und so läßt sie denn voraus mich künden:
Dieser edlen Seele ist hienieden
Dennoch von dem Schicksal Glück beschieden;
Alles wird ein gutes Ende finden.
<9>Mut gefaßt! Ich fühle neues Leben!
Ihrem Dienst geweiht und ihr ergeben,
Führt Natur und Menschheit gleicherzeit
Sie zum Ruhme, sie zum Großen, Schönen,
Und es wird einst die Geschichte krönen
Ihren Namen mit Unsterblichkeit.


7-1 Da Kronprinz Friedrich anfänglich nicht darauf rechnete, die Erlaubnis seines Vaters zur Teilnahme an der Vermählung seiner Schwester, die am 23. November 1731 in Berlin stattfand, zu erhalten, sandte er ihr aus Küstrin das obige Gedicht.