16. An Algarotti54-1
(26. Februar 1740)
Furchtsam und zitternd bietet meine Feder
Dem Publikum ihr Erstlingswerkchen dar —
Ach, Kritikus ist heutzutage jeder!
Du, die den Schreibern stets gewogen war,
Minerva, schirme du mich vor Gefahr!
Da ist gar tiefgekränkt manch ein Gesell,
Den ich in meines Witzes Salz gepökelt,
Und der, als Freund des alten Machiavell,
Mir gar zu gern mein junges Buch verekelt,
Er schlüg' am liebsten gegen mich Alarm
Für jenen von der Bank gefallnen Sprossen
Von einem Vater, den des Henkers Arm
Am besten hätte in den Stock geschlossen!
Der Kardinal Fleury im Meßgewand
Umpanzert schon die Brust mit schwarzem Eisen,
Und die noch eben kelchgewöhnte Hand
Läßt probeweise schon die Klinge kreisen,
Und Alberoni54-2 erst (auch Kardinal
Und auch verdammt von diesen „Literaten“)
Schreibt fiugs nach Rom und richtet schon den Pfahl,
Um diesen Antimachiavell zu braten!
Doch hier, in unfern nördlich trüben Zonen,
Wo Hund und Katze gute Nacht sich sagen
Und wo nur ungeleckte Bären wohnen,
<55>Wie soll mein Werk hier Lob zu finden wagen —
In einem Land, für dessen Vorgeschichte
Äsop als Schreiber der Geschichte gilt!
Hier wird Betrug und aller Bösewichte
Verruchter Hochmut, der aus Selbstsucht quillt,
Dem Werk, das ich geschaffen, widerstreben —
Doch wird das Werk, gleich Hydras Schlangenhaupt,
Wenn einen Kopf zu fällen sie geglaubt,
Die hundert andern gegen sie erheben.
54-1 Mit obigem Gedichte kündet Kronprinz Friedrich dem Grafen Algarotti (vgl. Bd. IX, S. III) die bevorstehende Zusendung des „Antimachiavell“ an.
54-2 Vgl. Bd. I, S. 132 ff.; II, S. 26.