29. An Fräulein von Schwerin zu ihrer Vermählung mit dem Schultheiß Lentulus90-1
(Januar 1748)
Empfahn Sie dieses Käses Gabe,
Womit, als ihrer besten Habe,
Die dreizehn Bünde Sie beschenken.
Fürwahr, wir sind nicht schnell im Denken;
Doch ob auch unsre Seele träumt,
Die Liebe weckt sie ungesäumt.
O, wir auch können sie empfinden;
Auch wir lobpreisen Lieb' und Kuß,
Den Tag, da Sie durch Lentulus
Zur Schweizerin gemacht sich finden.
Schweizerin ist ein Ehrentitel,
Der mehr als Hoheit, Exzellenz,
Äbtissin (und so weiter) ehrt.
So mancher schiene wohl kein Mittel,
Ihn sich zu sichern, zu verkehrt —
Denn junge Schweizer in ihrem Lenz
Sind mehr als alte Prinzen wert.
Doch hüten Sie sich Ihrerseits,
Zu altern hier, in unsrer Schweiz;
Und da Sie in dies Ländchen kommen,
So machen wir zu Ihrem Frommen
Mit den Gesetzen Sie bekannt.
Sei Ihnen kund, daß wir die Schönen,
Sie, deren himmlisch holder Reiz
<91>So Hirt wie König übermannt,
Mit Privilegien verwöhnen,
Weil wir gefällig und galant.
So derb und schwer auch unser Wesen,
Man findet, traun, in keinem Land
Vom Franzmann bis zum Irokesen,
Ein Volk, so treu im Ehestand
Wie uns, das soviel Zärtlichkeit
(Nur Ziererei wird streng verbannt)
Den jungen Ehehälften weiht.
Doch wenn Geliebte oder Frauen
Sich fühlen von des Alters Klauen
Zu ihrem Ach und Weh gepackt,
Dann freilich schelten wir voll Grauen
Die Ärmsten wüst und abgeschmackt.
Ein rotumrändert Augenpaar,
Vergilbte Haut, verwelkter Hals,
Wackelnde Zähne, graues Haar,
Ein zitternd Knie, ein Rücken krumm
Sind Ware, die wohl keinesfalls
Liebhaber findet, das ist klar,
Im ganzen Schweizer Publikum.
Und hätten so viel Reize Sie,
Daß Venus müßte drob erbleichen
Und Menelaos' Schatz desgleichen,
Ja, unsre liebe Frau Marie: —
Beginnt die Jugend zu entweichen,
Entweicht auch unsre Sympathie.
Noch mehr, die hohe Polizei
Nebst löblicher Justiz, die zwei,
Sie heften sich an Ihre Sohlen,
Eröffnen Ihnen unverhohlen,
Daß es nur Gift und Galle sei,
Was Ihnen Reiz und Jugend stahl.
Ja, die profunde Geistergilde
Der Schweiz in Physik und Moral:
Was lehrt sie? Bosheit, Bosheit bilde
Der Frauen Hauptcharaktermal.
Wie könnten sie, die Jungen, Zarten,
Zu alten Hexen sonst entarten?
<92>Noch mehr, was gilt's, verwundert Sie:
Man trifft bei uns den Typus nie
Der lächerlichen Schwätzerinnen;
Denn wenn ein Weib, das jung zuvor,
Die Jugend eines Tags verlor,
Verbrennt es ohne viel Besinnen
Der Richter mitleidloser Chor.
Denn wer als Hexe erst erkannt,
Die wird verbrannt, die wird verbrannt —
Bis eines Tags Ihr Himmelsreiz
Besiegen wird die strenge Schweiz
Und in der Schatten dunkles Reich
Die letzte Hexe und zugleich
Den Herenaberglauben bannt.
Ja, unsre Schweiz, durch Sie verschönt,
Wird sich von ihrem Irrtum kehren;
Als Ketzer siehn fortan verpönt,
Die jenen Wahn noch fürder lehren.
Sie stimmt aus vollem Herzen bei:
Es gibt nur eine Hexerei,
Und sie besieht zu Fug und Recht —
Sie, der mit Strahlenaugen frönt
Das ewig siegreiche Geschlecht.
90-1 Die Vermählung des Majors und Flügeladjutanten Freiherr Rupert Scipio von Lentulus mit Marie Anna von Schwerin fand am 17. Januar 1748 statt. Dreizehn Schweizer in Nationaltracht überreichten das obige Gedicht mit einem Riesenkäse. Da Lentulus aus der Schweiz stammte, redet der König ihn scherzhaft mit dem Titel „Schultheiß“ an, den der oberste Vertreter der Republik in Bern führte.