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51. An Voltaire162-1
(17. November 1759)

Ich bin einem schäumenden Eber gleich,
Der sich wütend wehrt in dem wilden Bereich
Der stürmenden, fletschenden, tollkühnen Meute.
Schon stürzt sie sich gierig auf ihre Beute;
Da greift er an, verwundet, schneidet
Mit seinen Hauern, Streich um Streich,
Den Feind, der ihn betroffen meidet.
Doch ob der Schwarm auch niederbricht,
Wächst kläffend seine Zahl aufs neu
Und naht und mehrt sich ohne Scheu,
Er aber wankt und zittert nicht.
Ja, toll und blind, von wildem Zorn durchloht,
Nicht ahnend, daß sein Ende droht,
Stürzt er dem Mordspeer ohne Beben
Entgegen und verhaucht sein Leben...

Das flatterhafte, freche Glück
Betrachtet seiner Diener Schar
Nicht stets mit gleich gewognem Blick.
Auch uns ward nicht in jedem Jahr
Die Gunst, daß wir den wüsten Haufen,
Der zur Zerstörung unsrer Saat,
Halb Held, halb Räuber sich genaht,
Geschlagen sahn von bannen laufen.
<163>Oft kann ein Zufall eine Schlacht entscheiden;163-1
Und dank' auch ich ihm manchen Ehrentag,
So mußte doch auch manchen Schlag
Ich meinerseits vom Feind erleiden,
Wo ich urplötzlich unterlag.163-2
Doch jener Mann, auf dem der Segen
Des römischen Antichristen ruht,163-3
Ein guter Fabius allerwegen,
Der jüngst erst stärkte seinen Mut
Durch ein Barett, das als Symbol
Von eitlem Ruhm ihn krönen soll,
Der gibt nun nachts sein Lager auf.
Ich will's nicht grade Flucht benennen,
Doch sollten wir gar bald erkennen,
Daß ihn von dannen trägt sein Lauf,
Wird ein gewisser Herzog163-4 wie Neptun
Mit seinem Dreizack ewigen Ruhm erkämpfen,
Den bösen Sturm mit einem Worte dämpfen
Und Frankreich retten, müßt' er es auch tun
Ohne Einsicht, ohne Held,
Ohne Kanada und ohne Geld,
Da ihm schon fast der Untergang beschieden.
Mit Anstand neigt er sich und sagt:
„Beim heiligen Georg, Gott seis geklagt,
„Geliebtes Albion, gib uns den Frieden!“

Nimmt diese unerhoffte Kunde
Aus dem geheimen Hintergrunde
Der Kabinette ihren Lauf,
Dann häng' ich Helm und Degen auf
Und meide diese Stätte schnell,
Um künftig in des Alters Tagen,
Mich labend an der Weisheit Quell,
In Sanssouci mich zu vergraben.


162-1 Aus einem Schreiben an Voltaire vom 17. November 1759.

163-1 Vgl. S. 121 f.

163-2 Schlacht bei Kunersdorf, 12. August 1759 (vgl. Bd. IV, S. 15 ff.).

163-3 Daun (vgl. S. 161).

163-4 Der Herzog von Choiseul, der Leiter der auswärtigen Politik Frankreichs.