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63. An d'Argens
(13. August 1762)

Mit Leid und Lust in ständigem Verein
Bestreut der Himmel täglich unsre Wege.
Ihr Widerspiel ist immer rege
Und stürzt alsbald des Glückes Schlösser ein.
Nur Götter wissen von der Zukunft Wettern,
Doch blinden Auges schaut der Mensch hinein!
Sein Tun mag nutzlos, schlecht erwogen sein,
Und unversehens kann es ihn zerschmettern.
Fürwahr, Marquis, was man so menschlich nennt,
Ist nur ein elend, eitel Element.

Wenn uns ein plötzlich Unheil überfällt,
So mehrt es unsern Jammer gleich unsäglich.
Es wird verzweifelt, unerträglich,
Doch schließlich, trotzig wie ein Held,
Bekämpfen wir es unverstellt.

Was quälen wir uns so mit all den Plagen?
Sind mitten in des Wechsels Reich
Doch unsre Zelte aufgeschlagen!
So laßt uns denn in trüben Tagen,
Von manchen Leiden bleich,
Wie Weise uns betragen.
Heut mag ein feindliches Geschick uns quälen,
Doch morgen hört Fortuna auf zu schmälen,
Sie neigt sich hold, und wir — wir lachen gleich.

Beklagen wir nicht immer unser Los,
Sein wechselnd Spiel liegt gar zu offen.
Des Weisen Furcht sei nie zu groß,
Doch noch geringer sei sein Hoffen.