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Als die Österreicher sahen, welche Anstrengungen gemacht wurden, um Ségur zu befreien, beschlossen sie endlich, zum Entsatz von Brünn nach Mähren zu rücken, und Prinz Karl von Lothringen trat den Vormarsch an. Die Verbündeten mußten einen Versammlungsort für die Truppen aussuchen, der zugleich eine vorteilhafte Stellung war; diese Eigenschaften trafen auf die Umgebung der Stadt Pohrlitz zu. Der König eröffnete dem Ritter von Sachsen seine Absicht, den Feind in dieser Stellung zu erwarten, was um so sicherer geschehen konnte, als der König durch sechs Bataillone und 30 Schwadronen eigner Truppen verstärkt worden war. Der Ritter gab eine zweideutige Antwort. Damit bereitete er auf die Art und Weise vor, wie er künftig seinen Ungehorsam entschuldigen würde. Der Scheingrund, den er in erster Linie anführte, war die Schwäche seiner Truppen, die er auf nur 8 000 Streiter angab. Der geringe Verlaß auf dieses sächsische Korps führte den König zu Betrachtungen über seine gegenwärtige Lage. An eigenen Truppen hatte er nur 26 000 Mann. Auf sie allein konnte er rechnen, aber das war zu wenig, um dem Heere des Prinzen von Lothringen die Spitze zu bieten. Und schließlich: warum sollte er sich so darauf versteifen, dieses Mähren zu erobern, das dem König von Polen, der es bekommen sollte, so gleichgültig war? Das Beste, was er tun konnte, war, sich mit den preußischen Truppen, die in Böhmen standen, zu vereinigen. Zur Deckung von Olmütz und Oberschlesien konnte die Armee des Fürsten von Anhalt dienen, die bei Brandenburg überflüssig geworden war. Der Fürst erhielt also schleunigst Befehl, sein Heer zu teilen, die eine Hälfte nach Chrudim in Böhmen zu schicken und 17 Bataillone und 35 Schwadronen nach Oberschlesien zu führen, wo sein Sohn, Prinz Dietrich, mit den Truppen, die der König in dieser Gegend lassen würde, zu ihm stoßen sollte.

Trotz aller dieser Anordnungen befand sich der König in mißlicher Lage. Er hatte alle Ursache, den Sachsen zu mißtrauen, doch ihre Unzuverlässigkeit war noch nicht offenbar genug. Broglie riß ihn aus dieser Verlegenheit, indem er die sächsischen Truppen zu seiner Verstärkung forderte, angeblich gegen einen bevorstehenden Angriff des Prinzen von Lothringen, gerade zu der Zeit, da der Prinz mit seiner Armee nach Mähren aufgebrochen war! Um die verdächtigen Bundesgenossen los zu werden, tat der König, als glaubte er die falschen Angaben des Marschalls Broglie.

Der Abmarsch aus Mähren ward beschlossen. 15 Schwadronen und 12 Bataillone folgten dem König nach Böhmen. 25 Schwadronen und 19 Bataillone blieben unter dem Befehl des Prinzen Dietrich in einer vorteilhaften Stellung bei Olmütz, wo der Prinz sich hätte halten können, wenn Feldmarschall Schwerin, wie er sollte, dafür gesorgt hätte, hinlängliche Lebensmittel für die Truppen zusammenzubringen1. Der sächsische Gesandte Bülow fragte den König, als er ihn im Begriff sah, Mähren zu räumen: „Aber, Sire, wer wird denn meinem Herrn die Krone von Mähren aufs Haupt setzen?“ Der König antwortete ihm, man gewänne Kronen nur mit schwerem


1 In der Fassung von 1746 spricht der König sogar von „unverzeihlicher Nachlässigkeit“, durch die Schwerin beinahe die Armee zugrunde gerichtet hätte.