<118> keine Zeit dazu gehabt hatte, so durfte man gar nicht erst versuchen, den Ort zu halten. Der Hauptfehler, den Erbprinz Leopold vor der Schlacht beging, war der, daß er an einen Angriff der Feinde nicht eher glauben wollte, als bis er ihre Kolonnen vor seiner Front sich entwickeln sah. Da war es freilich recht spät, an gute Anordnungen zu denken. Aber die Tapferkeit der Truppen siegte über die Feinde, über die Hindernisse des Geländes und über die Fehler ihrer eignen Führer. Ein solches Heer war imstande, einen Befehlshaber aus der Bedrängnis zu reißen, und der König selbst mußte zugestehen, daß er allen Grund hatte, sich bei seinem Heere zu bedanken.

Die Österreicher machten nach ihrer Niederlage erst drei Meilen vom Schlachtfelde halt, bei dem Dorfe Habern, wo sie auf den Gebirgshöhen ein befestigtes Lager bezogen. Hier stieß eine Verstärkung von 4 000 Mann zum Prinzen von Lothringen. Zugleich erhielt der König einen Nachschub von 6 000 Mann, die der Fürst von Anhalt ihm aus Oberschlesien unter dem Befehl des Generals Derschau zusandte. Die Preußen verfolgten die Feinde. Als ihre Vorhut gegen Abend in der Gegend von Habern erschien, zog der Prinz von Lothringen noch in derselben Nacht ab und eilte durch große Waldungen der Straße nach Deutsch-Brod zu. Die preußischen Truppen, die aus Mangel an Lebensmitteln nicht tiefer nach Böhmen eindringen konnten, lagerten sich bei Kuttenberg, um in der Nähe ihrer Magazine zu bleiben.

Während der Prinz von Lothringen sich von den Preußen schlagen ließ, ging Fürst Lobkowitz mit seinen 7 000 Mann über die Moldau und unternahm kühn die Belagerung von Frauenberg, dessen Schloß sich acht Tage halten konnte1. Broglie, der eine Verstärkung von 10 000 Mann erhalten hatte und bei dem nach Beendigung der Kaiserwahl zu Frankfurt auch der Marschall Belle-Isle eingetroffen war, schickte sich an, der Stadt zu Hilfe zu kommen. Bei Sahay mußte sein ganzes Korps durch ein sehr enges Defilee marschieren, das Lobkowitz mit einiger Infanterie besetzt hielt. Die ersten französischen Schwadronen, die heraustraten, griffen die Kürassierregimenter Hohenzollern und Bernes, den Nachtrab von Lobkowitz, ohne Plan und Ordnung an und schlugen sie (25. Mai). Die Österreicher hatten ein Gehölz im Rücken, wo sie sich mehrmals wieder sammelten. Da aber die Franzosen immer zahlreicher vorrücken, so drängten sie endlich den Feind zurück, und Lobkowitz brachte sich durch einen eiligen Rückzug auf Budweis in Sicherheit. Die österreichischen Kürassiere galten einst für die Säulen des Reiches. Aber die Schlachten bei Grocka und Mollwitz hatten ihnen ihre besten Offiziere geraubt, und man hatte für keinen gleichwertigen Ersatz gesorgt. Seitdem pflegte diese Truppe in regellosen Haufen zu schießen oder anzugreifen. Infolgedessen wurde sie oft geschlagen und verlor das Vertrauen auf die eigne Kraft, das die Grundlage aller Tapferkeit ist.


1 Anmerkung des Königs: „Bericht des Augenzeugen Wylich.“ (Dieser befand sich als preußischer militärischer Bevollmächtigter im französischen Hauptquartier.)