Wie das Glück in diesem Feldzuge oft von der einen zur andern Seite überging, so ließ der Vorteil die Herrscher ihre Politik nicht minder oft wechseln. Wir erwähnten bereits den vom König von Sardinien unterzeichneten Wormser Traktat. Der Vertrag wurde zur selben Zeit veröffentlicht, als er noch mit Frankreich und Spanien unterhandelte und man in Versailles täglich die Nachricht vom Abschluß des Bündnisses erwartete. Die Minister Ludwigs XV. vermochten ihren Groll nicht zu verhehlen. Sie fanden im Betragen des Königs von Sardinien einen Beweis von Falschheit und Verachtung und brachen mit ihm. Der französische Gesandte1 ward unverzüglich aus Turin abberufen. Ein französisches Korps von 10 000 Mann stieß zum Marchese de Las Minas, der unter Don Philipp an der genuesischen Küste befehligte. Las Minas versuchte, um sich einen Weg durch die piemontesischen Pässe zu bahnen, über Castel Delfino vorzudringen. Aber der König von Sardinien war ihm zuvorgekommen. Er hatte sich hier verschanzt und zwei Forts besetzt, die auf zwei Höhen rechts und links vom Passe liegen. Dieses Defilee verteidigten die Sardinier so tapfer, daß die Franzosen und Spanier, von allen Seiten zurückgeschlagen, sich ins Dauphiné zurückzogen, nachdem sie 6 000 Mann bei dieser fruchtlosen Unternehmung verloren hatten.
Die Leichtigkeit, womit der Wiener Hof den König von Sardinien zum Eintritt in sein Bündnis bewogen hatte, brachte ihn zu der Überzeugung, daß sich in Rußland Ähnliches erreichen lassen müsse, um das, was er die gute Sache nannte, durch Rußlands Beitritt zu stärken. Frankreich erfuhr davon und sandte den Marquis La Chétardie nach Petersburg zurück, um den Absichten seiner Feinde entgegenzuarbeiten. Der Gesandte, der Elisabeth durch seine Geschicklichkeit auf den Thron gesetzt hatte, hoffte, bei seiner Sendung Beweise von Dankbarkeit vom russischen Hofe zu empfangen. Er erlebte nichts als Proben des Undanks. Das Reich befand sich in voller Gärung. Denn die Großen waren durch die Entthronung so vieler Herrscher, von deren Geschick ihr eignes Los abhing, aufgebracht. Es fehlte nur ein Anführer, und die Empörung kam zum Ausbruch. Die Mächte, die sich um Rußlands Beistand aufs höchste, doch vergeblich bemühten, benutzten die Gärung zum Anzetteln einer Verschwörung gegen die Kaiserin, die zum Glück für diese aber entdeckt ward. Um die gefährliche Intrige recht zu verstehen, muß man sich erinnern, daß der Wiener Hof mit Verdruß der Katastrophe zugesehen hatte, durch die Prinz Anton Ulrich von Braunschweig und seine Gemahlin gestürzt worden waren2. Frankreichs Mitwirkung genügte, um diese Umwälzung verhaßt zu machen, um so mehr, als zu vermuten war, daß die Kaiserin Elisabeth den ihr von Frankreich erwiesenen Dienst nicht vergessen und mehr Zuneigung zu Frankreich als zu Österreich hegen würde, zumal bei der nahen Verwandtschaft der Königin von Ungarn mit dem gestürzten Herrscherhause. Auf Grund dieser Annahme hielt das Wiener Ministerium jedes Mittel für erlaubt, das
1 Marquis de Senecterre.
2 Vgl. S. 96. 97.