<155> Bruder, den König, nicht feindlich gesinnt sein, und eine Großfürstin von Rußland, die in Preußen aufgewachsen und erzogen war1 und ihr Glück dem König verdankte, konnte ihm nicht schaden, ohne undankbar zu sein.

Zwar ließ sich die politische Verbindung mit Rußland damals nicht enger gestalten. Auch gelang es nicht, den Kanzler Bestushew durch einen bessergesinnten Minister zu ersetzen. Man griff also zum goldnen Schlüssel, um die Eisenpforten seines Herzens zu öffnen. Das war die Redekunst, mit der Mardefeld bis zum Jahre 1745 die Böswilligkeit des übelgesinnten Mannes in Schranken hielt. Wie aus allen erwähnten Einzelheiten hervorgeht, hatte der König mit seinen Intrigen keinen vollen Erfolg, und das, was er in Rußland zu erreichen vermochte, entsprach nicht ganz seinen Hoffnungen. Indes war es schon viel, das Übelwollen einer so gefährlichen Macht für eine Weile eingeschläfert zu haben. Wer Zeit gewinnt, hat alles gewonnen.

Noch einmal ward ein Versuch gemacht, die Reichsfürsten zu einem Bunde zu vereinigen. Auf den Landgrafen von Hessen2, den Herzog von Württemberg, die Kurfürsten von Köln3 und von der Pfalz4 konnte man rechnen. Den Bischof von Bamberg5 hatte man halb gewonnen. Aber ihr Beitritt mußte erkauft werden: kein Geld, keine deutschen Fürsten! Jedoch Frankreich wollte sich zu den nötigen Subsidien nicht verstehen, und so scheiterte die Sache zum dritten Male.

Eine Verständigung mit dem sächsischen Hofe wäre erwünscht gewesen. Aber hier fand man mehr Hindernisse als irgendwo. Der König von Polen war unzufrieden, daß er durch den Breslauer Frieden nicht in den Besitz von Mähren gelangt war. Er wähnte Provinzen durch einen Federstrich erobern zu können. Er war neidisch auf das Haus Brandenburg, das Schlesien errungen hatte, während er bei diesem Kriege leer ausgegangen war. Er hielt seine Ansprüche auf die Erbschaft Karls VI. für durchaus begründet, mißgönnte dem Kurfürsten von Bayern die Kaiserkrone und haßte die Franzosen, denen er vorwarf, ihn betrogen zu haben. Diese vorteilhafte Stimmung entging dem Wiener Hofe nicht. Das alte Fräulein Kling, jener weibliche Unterhändler6, war noch immer in Dresden. Sie wußte die schwache Seite des Königs, der Königin, des Grafen Brühl und des Beichtvaters so geschickt zu treffen, daß sie alle zu einer Allianz mit der Königin von Ungarn bestimmte. Der König von England bestärkte den Grafen Brühl noch in seinem Entschluß durch die Schenkung eines Landguts in der Grafschaft Mansfeld, das 80 000 Taler wert war. Nun fand die Unterhandlung keine Hindernisse mehr. Zwischen Österreich, England und Sachsen kam ein Verteidigungsbündnis zustande, dessen geheime Artikel zu Wien unterzeichnet wurden7. Die Vertragschließenden hüteten sich wohl, die Geheimartikel


1 Ihr Vater war Gouverneur von Stettin.

2 Wilhelm VIII., bis zum Tode seines Bruders, König Friedrichs von Schweden, im Jahre 1751 Statthalter, dann regierender Landgraf.

3 Clemens August.

4 Karl Theodor.

5 Friedrich Karl, Graf von Schönborn.

6 Vgl. S. 103.

7 Durch den Wiener Vertrag vom 20. Dezember 1743 trat Sachsen dem am 13. September 1743 geschlossenen Wormser Vertrag zwischen Österreich, England und Sardinien (vgl. S. 145) bei.