<162>reich verbinden, so war es also eine notwendige Vorbedingung, die Anschauungen der Minister über diesen Punkt zu berichtigen. Baron Chambrier, seit zwanzig Jahren preußischer Gesandter am Versailler Hofe, war zu alt und hatte zu wenig Fühlung mit den maßgebenden Persönlichkeiten, um ihr Ansehen beim König benutzen zu können. Er hatte auch erst wenige wichtige Verhandlungen geführt und war übermäßig vorsichtig. Der König sah ein, daß er einen gewandten und tatkräftigen Mann nach Versailles senden müßte, um zu erfahren, wie die Dinge dort stünden. Seine Wahl fiel auf den Grafen Rothenburg1. Der war im Jahre 1740 aus französischen Diensten in preußische übergetreten. Er war verwandt mit allen hervorragenden Personen am Hofe, konnte sich dadurch Nachrichten verschaffen, die einem andern entgangen wären, und vermochte den König somit von der Gesinnung Ludwigs XV., seiner Minister und Mätressen zu unterrichten. Denn man brauchte einen Kompaß, um sich in Versailles zurechtzufinden. Die allzu feurige Art des Grafen Rothenburg wurde durch Chambriers Phlegma gemildert. Beide zusammen konnten dem Staate nützliche Dienste leisten. Graf Rothenburg reiste also nach Versailles ab. Seine ersten Vorschläge gingen durch den Herzog von Richelieu und die Herzogin von Chateauroux. Man schickte ihn zu Amelot, dem Minister des Auswärtigen, der nicht für einen Anhänger Preußens galt. Aber der Kardinal Tencin, der Marschall Belle-Isle, der Kriegsminister d'Argenson, Richelieu und des Königs Mätresse erklärten sich für den Grafen Rothenburg. Die dem Feldmarschall Seckendorff vorgeschlagenen Artikel dienten zur Grundlage für die nun beginnende Verhandlung mit Frankreich. Vor allem bestand man darauf, daß die französische Armee die Österreicher aus dem Elsaß vertreiben und ihnen Bayern wieder abnehmen sollte. Zugleich sollte ein andres französisches Heer in Westfalen einfallen. Der König behielt sich vor, nicht eher am Spiel teilzunehmen, als bis sein Bündnis mit Schweden und Rußland perfekt wäre2. Dieser letzte Artikel ließ ihm freie Hand, zu handeln oder untätig zu bleiben, je nachdem die Ereignisse ihm vorteilhaft oder nachteilig erschienen. Noch schmeichelte er sich, den Augenblick des Bruches hinausschieben zu können. Aber die Wendung, die die allgemeinen Angelegenheiten nahmen, und die Erfolge der österreichischen Waffen im Elsaß zwangen ihn, sich früher gegen die Königin von Ungarn zu erklären. Das Bündnis mit Preußen war das vorteilhafteste, was Frankreich damals begegnen konnte. Sein eigner Nutzen war der stärkste Ansporn zur Erfüllung der Verabredungen. Aber wer kann auf die Politik eines Hofes rechnen, der von Intrigen beherrscht und hin und her geworfen wird? Wer kann auf den Mut und die Tatkraft eines Heeres bauen, dessen Führer furchtsam und kraftlos sind?

Im Mai desselben Jahres kam Graf Tessin als schwedischer Abgesandter nach Berlin und hielt um die Prinzessin Ulrike von Preußen für den zum Thronfolger von


1 Generalmajor Graf Friedrich Rudolf Rothenburg gehörte dem engeren Kreise des Königs an.

2 Die Versailler Allianz wurde am 5. Juni 1744 geschlossen.