<166> übliche Ausrede aller Seeleute. Sicherlich aber wagte sich Roquefeuille, der Admiral der Flotte, angesichts einer ihm überlegenen Seemacht nicht über den Kanal.
Seit Ludwig XIV. hatten die französischen Truppen keinen König mehr an ihrer Spitze gesehen. Unglückliche Feldzüge hatten die Armee entmutigt. Man hielt die Gegenwart des Kriegsherrn für das einzige Mittel, den Trieb nach Ehre und Ruhm im Heere wieder anzuspornen. Eine Frau unternahm es aus Vaterlandsliebe, Ludwig XV. seinem Müßiggange zu entreißen und ihn zur Führung seiner Armeen ins Feld zu schicken. Sie brachte Frankreich ihre Herzensangelegenheiten und ihr Glück zum Opfer. Das war die Herzogin von Chateauroux. Sie sprach mit solchem Nachdruck, sie mahnte und drängte den König so lebhaft, daß er beschloß, nach Flandern zu gehen. Eine so hochherzige, ja heroische Tat verdient in den Annalen der Geschichte um so mehr einen Platz, als die früheren Mätressen ihr Ansehen bloß zum Verderben des Königreichs aufgewandt hatten. Ludwig XV. eröffnete den Feldzug in Flandern mit der Belagerung von Menin. Der Kommandant des Platzes, der wenig von seinem Handwerk verstand, kapitulierte nach geringem Widerstande. Gleich darauf gingen die Franzosen an die Belagerung von Ypern, das zwar besser verteidigt war, aber doch das gleiche Schicksal erfuhr. Die Belagerungskunst ist die eigentliche Stärke der Franzosen. Sie haben die geschicktesten Ingenieure Europas, und das zahlreiche schwere Geschütz, das sie bei ihren Operationen verwenden, sichert das Gelingen ihrer Unternehmungen. Brabant und Flandern sind der Schauplatz ihrer Erfolge, weil hier die ganze Kunst ihrer Ingenieure zur Geltung kommt. Die Menge der Kanäle und Flüsse erleichtert den Transport von Kriegsvorräten, und die Franzosen haben ihre Grenzen im Rücken. Sie sind erfolgreicher im Belagerungskriege als im offenen Felde.
Doch kehren wir zu den Verbündeten zurück, die wir auf eine Weile verließen. Die Truppen, die der König von England im Vorjahre befehligte, hatten, wie gesagt, in Brabant und in Westfalen überwintert. Die Armee des Prinzen von Lothringen hatte im Breisgau und in Bayern Winterquartiere bezogen. Im Elsaß kommandierte Marschall Coigny. Die Trümmer des kaiserlichen Heeres waren bei den Freunden des Kaisers verteilt, die Hauptmacht jedoch lag im Fürstentum Öttingen. Der Wiener Hof verlor in diesem Winter den Feldmarschall Khevenhüller. Die Königin von Ungarn ehrte sein Andenken durch einige Tränen. Feldmarschall Traun trat an seine Stelle und erhielt den Oberbefehl über die Hauptarmee, die nominell der Prinz von Lothringen, in Wirklichkeit aber Traun kommandierte. Da Prinz Karl von Lothringen in dieser Darstellung eine Hauptrolle spielen wird, so halten wir es nicht für ganz zwecklos, näher auf ihn einzugehen. Er war tapfer, bei den Truppen beliebt und beherrschte das Detail des Proviantwesens, war aber wohl zu nachgiebig gegen die Einflüsse seiner Günstlinge und liebte die Vergnügungen der Geselligkeit; auch sagte man ihm Unmäßigkeit im Trinken nach. Er vermählte sich zu Wien mit der Erzherzogin Marianne, der jüngeren Schwester der Königin. Er brachte seine junge