<187> Kolonnen; die eine nahm ihren Weg durch die Grafschaft Glatz, die zweite, unter Führung des Königs, ging durch die Engpässe bei Braunau, die dritte, unter Du Moulins Führung, zog auf dem Wege von Trautenau nach Schatzlar. Die erste Kolonne ward auf ihrem Marsche gar nicht beunruhigt. Die Brigade Truchseß, die Arrieregarde der zweiten Kolonne, wurde beim Überschreiten des Mettau-Baches bei dem Dorfe Pleß angegriffen. Truchseß ließ sich sehr zur Unzeit in ein Scharmützel mit den Panduren ein, bei dem er vierzig Mann an Toten und Verwundeten einbüßte. Bezeichnend für die Ungarn ist folgendes. Als während des Gefechts einige Schweine im Dorfe Pleß zu schreien anfingen, stellten die Panduren die Feindseligkeiten ein und jagten ins Dorf, um die Tiere zu schlachten, da sie lieber essen als kämpfen wollten. Sicherlich gibt es in der Geschichte wenig Beispiele von so heftigen Scharmützeln, die so grotesk endigten. Du Moulins Kolonne ward beim Dorf Goldenöls angegriffen, aber so matt, daß wir darüber hinweggehen. Die Kolonne des Königs langte am 4. Dezember in Tannhausen an. Der alte Fürst von Anhalt traf fast zu gleicher Zeit dort ein. Erbprinz Leopold lag an einer Krankheit danieder, die für sein Leben fürchten ließ. Feldmarschall Schwerin hatte die Armee mißvergnügt noch vor ihrem Rückzug nach Schlesien verlassen1. Der König mußte nach Berlin gehen, um dort die nötigen Vorbereitungen für den kommenden Feldzug zu treffen und auch, um einige Unterhandlungen einzuleiten, die man später, wenn es die Umstände geboten, mit größerem Nachdruck weiterführen konnte.
Den übrigen Korps begegnete auf ihrem Rückzuge folgendes. Winterfeldt brachte sein Detachement glücklich von Leitmeritz nach Schlesien zurück. Er ward unterwegs zwar beunruhigt, aber durch seine guten Maßregeln hielt er sich die Ungarn vom Leibe. Die Besatzung von Prag befolgte die ihr erteilten Befehle nicht buchstäblich. Einsiedel sollte die Festungswerke auf dem Wischehrad und dem Lorenzberg in die Luft sprengen, die Kanonen der schweren Artillerie zerstören, die Lafetten verbrennen und die Flinten der österreichischen Besatzung ins Wasser werfen lassen. Er glaubte fälschlich, dieser Befehl würde widerrufen werden, und schob die Ausführung bis zum Augenblick des Abmarsches auf; da war es denn zu spät. Als er den Moment zur Räumung der Stadt gekommen sah, trieb er so viele Pferde wie möglich auf, um anstatt des schweren Geschützes, das er im Stich lassen mußte, wenigstens 42 österreichische Feldstücke mitzunehmen. Am 26. November verließ die Besatzung Prag. Einsiedel hatte seine Anordnungen aber so schlecht getroffen, daß seine Truppen noch aus dem Karls-Tore ausrückten, als schon 400 Panduren von einer andern Seite in die Stadt
1 Weit schärfer lautet das Urteil in den Denkwürdigkeiten von 1746, wo der König schreibt, Laune und Krankheit hätten den Feldmarschall zur vorzeitigen Heimkehr veranlaßt. Ähnlich sagt er dort über Schwerins Aufbruch von der Armee im Frühling 1742: „Er wurde krank, wie es seine Gewohnheit war, und reiste ab.“ Endlich ist auch in der Niederschrift von 1775 die Charakteristik fortgeblieben: „Schwerin ist voll Feuer, geeignet zu allen kurzen und raschen Unternehmungen, aber ohne Geduld zur Ausführung von Plänen, die Kaltblütigkeit und Nachdenken erfordern; für seine Person besitzt er heroischen Mut.“