<19> und dem König von Sardinien entrissen worden. Außerdem hatte er durch den Frieden von 17381 das Herzogtum Lothringen, in dem das Haus seines Schwiegersohnes seit altersgrauen Zeiten geherrscht hatte, an Frankreich abgetreten2. Durch diesen Vertrag gab der Kaiser Länder hin und erhielt außer leeren Bürgschaften von Frankreich allein Toskana, das man aber nur als unsicheren Besitz ansehen kann. Frankreich garantierte dem Kaiser jenes Hausgesetz über seine Erbfolge, das in Europa als Pragmatische Sanktion so bekannt geworden ist3. Dieses Gesetz sollte seiner Tochter die Unteilbarkeit seiner Erbschaft sichern.
Man erstaunt mit Recht, am Ende der Regierung Karls VI. den Glanz so verblichen zu sehen, der sie zu Anfang umschimmert hatte. Die Ursache für das Mißgeschick dieses Herrschers liegt in dem Verluste des Prinzen Eugen. Nach dem Tode dieses großen Mannes war keiner da, der ihn ersetzen konnte. Der Staat hatte seine Kraft verloren und sank in Schwäche und Verfall. Karl VI. hatte von Natur alle Eigenschaften eines guten Bürgers, aber nicht eine einzige zu einem großen Manne. Er besaß Edelmut, aber keine Urteilskraft, einen beschränkten, nicht durchdringenden Verstand, Fleiß, aber kein Genie, so daß er bei reichlichem Arbeiten wenig leistete. Er beherrschte das deutsche Recht, sprach mehrere Sprachen und war ein vorzüglicher Lateiner, ein guter Vater und Ehemann, aber bigott und abergläubisch wie alle Fürsten aus dem Hause Österreich. Man hatte ihn zum Gehorchen erzogen, nicht zum Befehlen. Seine Minister unterhielten ihn mit Entscheidungen von Reichshofratsprozessen, mit pünktlicher Beobachtung der Etikette des Hauses Burgund; und während er sich mit diesen Nichtigkeiten abgab oder seine Zeit auf der Jagd vertat, schalteten sie als wahre Herrscher despotisch im ganzen Staate.
Österreichs guter Stern hatte den Prinzen Eugen von Savoyen in die Dienste des Hauses Habsburg geführt4. Der Prinz war in Frankreich Abbé gewesen; Ludwig XIV. schlug ihm eine Pfründe aus; Eugen bat um eine Kompanie Dragoner, erhielt sie aber ebensowenig. Man verkannte sein Genie, und die jungen Herren am Hofe hatten ihm den Spottnamen „Dame Claude“ gegeben. Als Eugen alle Türen des Glückes verschlossen sah, verließ er seine Mutter, Madame von Soissons, und Frankreich, um seine Dienste dem Kaiser Leopold anzubieten. Der machte ihn zum Obersten und gab ihm ein Regiment. Sein Können trat schnell zutage. Seine ausgezeichneten Dienste und die Überlegenheit seines Geistes erhoben ihn bald auf die höchsten militärischen Stufen: er wurde Generalissimus, Präsident des Hofkriegsrates und schließlich Premierminister Kaiser Karls VI. So war der Prinz Chef des kaiserlichen Heeres; er regierte nicht nur die österreichischen Erblande, sondern auch das Reich. Eigentlich war er Kaiser. Solange Prinz Eugen in der Vollkraft seines Geistes stand, war das Glück mit den Waffen und den Unterhandlungen
1 Der Friede zu Wien beendete definitiv den Polnischen Erbfolgekrieg (1733—1735).
2 Vgl. S. 5.
3 Vgl. S. 5.
4 Prinz Eugen, 1663 geboren, trat 19 jährig in österreichischen Dienst und starb 1736.