<202> war er gegen die Österreicher nicht so vorgegangen, wie man es hätte erwarten sollen. Er war lahm beim Angriff und lau in der Verfolgung, wenn er den Feind hätte vernichten können. Ja, man beschuldigte ihn, er habe die Winterquartiere der Verbündeten absichtlich auseinandergelegt, um diese dem Feind mit gebundenen Händen auszuliefern. Man sagte sogar, die Königin von Ungarn habe ihm 300 000 Gulden an Rückständen, die er von Kaiser Karl VI. zu fordern hatte, ausgezahlt, damit er den Kurfürsten von Bayern zum Frieden bewegte. Augenscheinlich hatte der Wiener Hof ihm Versprechungen gemacht, vielleicht hatte man ihm die genannte Summe auch zugesichert, aber zur Zahlung war der Wiener Hof damals nicht imstande. Was am meisten gegen Seckendorff spricht, war seine Eile, den Frieden mit Österreich herbeizuführen. Er legte dem jungen Kurfürsten gefälschte Papiere vor, zeigte ihm angebliche Briefe des Königs von Preußen, in denen zu lesen stand, daß Preußen mit der Königin von Ungarn Frieden geschlossen hätte. Er gaukelte ihm Erfolge vor, die die österreichischen Waffen in Flandern und in Italien errungen hätten, und beschwor den jungen Kurfürsten, seinen Zwist mit der Königin beizulegen, um seinem völligen Untergang vorzubeugen. Der unerfahrene Jüngling ließ sich von den Kreaturen des Wiener Hofes, mit denen Seckendorff ihn umgeben hatte, bereden. Sein Vater, der Kaiser, hatte ihm sterbend gesagt: „Vergiß nie die Dienste, die der König von Frankreich und der König von Preußen dir erwiesen haben, und lohne ihnen nicht mit Undank!“ Eingedenk dieser Worte hielt er seine Feder eine Welle unentschlossen in der Hand. Aber der Abgrund, der vor ihm aufgähnte, Seckendorffs Vorspiegelungen und die Hoffnung auf ein besseres Schicksal bestimmten ihn, am 22. Aprll 1745 den Vertrag von Füssen zu unterzeichnen. In diesem Vertrage verzichtete die Königin von Ungarn auf jede Kriegsentschädigung und versprach, den Kurfürsten wieder in den Vollbesitz seiner Staaten einzusetzen. Der Kurfürst entsagte seinerseits, für sich wie für seine Nachkommen, allen Ansprüchen, die das Haus Bayern auf die österreichischen Lande erhob. Er erkannte die böhmische Kurstimme für gültig an und versprach seine eigne Stimme bei der Kaiserwahl dem Großherzog von Toskana. Ferner sagte er die Abberufung seiner Hilfstruppen zu, unter der Bedingung, daß sie auf ihrem Rückmarsche nicht belästigt würden und daß die Königin von Ungarn keine Kriegssteuern aus Bayern mehr erhöbe. Die letzten Artikel wurden von den Österreichern aber so schlecht befolgt, daß sie die Hessen entwaffneten, sie wie Gefangene nach Ungarn führten und unter dem Vorwande von Rückständen noch große Kontributionen aus Bayern eintrieben.
So endigte die Frankfurter Union, und die Österreicher zeigten wieder einmal, daß, wenn sie im Glück sind, nichts härter ist als ihr Joch. Überblickt man aber alle Ereignisse vom Anfang des Jahres an, welch lehrreiches Schauspiel bietet sich dann den bisognosi di gloria und den Staatsmännern, die die Zukunft im voraus zu bestimmen wähnen! Der Kaiser stirbt; sein Sohn schließt mit der Königin von Ungarn Frieden; dem Großherzog von Toskana winkt die Kaiserkrone; im Warschauer Bünd-