Dem Fürsten von Anhalt eröffnete der König Brühls Plan zuerst. Der Fürst gehörte zu jenem selbstgefälligen Menschenschlag, der die eigne Ansicht stets eigensinnig verficht, aber voller Widerspruch gegen andre Meinungen ist. Er bemitleidete den König geradezu wegen seiner Leichtgläubigkeit. Er hielt es für unnatürlich, daß ein Minister des Königs von Polen, ein geborener Sachse, aus reinem Mutwillen vier Heere in das Land seines Herrn ziehen und es dem unausbleiblichen Untergang aussetzen könnte. Der König zeigte ihm einen Brief, aus dem hervorging, daß General Grünne binnen zwei Tagen mit seinem Heere in Gera eintreffen würde, um bei Leipzig zu den Sachsen zu stoßen. Er legte ihm verschiedene Briefe aus Schlesien vor, die sämtlich bestätigten, daß die Sachsen den Prinzen von Lothringen mit seinen Truppen binnen kurzem in der Lausitz erwarteten und daß sie große Magazine für ihn errichteten. Schließlich sagte der König dem Fürsten, daß er ihm den Oberbefehl über das bei Halle zusammengezogene Heer anvertraute. Der Fürst von Anhalt verharrte in seinem Unglauben, aber in seinen Zügen war doch Genugtuung darüber zu lesen, daß ihm Gelegenheit zur Verjüngung seines alten Ruhmes geboten werden sollte.
Graf Podewils trat einen Augenblick später ein. Er zeigte sich ebenso ungläubig wie der Fürst von Anhalt, aber bei ihm war es nicht Widerspruchsgeist, sondern Furchtsamkeit. Podewils hatte einiges Kapital zu Leipzig angelegt und fürchtete es zu verlieren. Obwohl unbestechlich, wollte er bloß aus Schwäche nichts von einem Bruch mit den Sachsen wissen. Der Gedanke war ihm unheimlich, und da er alle andern für ebenso furchtsam hielt wie sich selbst, so traute er Brühl keinen verwegenen Plan zu. Kurz, bei diesen schönen Beratungen stritt man sich über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Sachverhalts, aber niemand dachte daran, der heranziehenden Gefahr vorzubeugen. Der König mußte sein ganzes Ansehen aufbieten, damit der Fürst von Anhalt die erforderlichen Maßregeln zur Verpflegung des Heeres bei Halle traf, und damit Podewils die Gesandten im Ausland anwies, das Komplott der Sachsen und des Königs Entschluß, ihnen zuvorzukommen, den fremden Höfen mitzuteilen.
Doch es schien, als wäre die Lage noch nicht verworren genug gewesen. Neue Schwierigkeiten traten hinzu. Der russische Gesandte1 erklärte dem König im Namen der Kaiserin, sie hoffe, er werde von einem Angriff auf das Kurfürstentum Sachsen abstehen, da ein solcher Schritt sie verpflichten würde, dem König von Polen das Kontingent zu schicken, das sie ihm kraft ihres Bündnisses schuldete. Der König ließ ihr erwidern, Seine Majestät wünsche mit allen Nachbarn in Frieden zu leben. Wenn aber jemand gegen seine Staaten verderbliche Pläne ausbrütete, so sollte keine Macht in Europa ihn hindern, sich zu verteidigen und seine Feinde zu vernichten.
Inzwischen bestätigten alle Briefe aus Sachsen und Schlesien Rudenschölds Nachrichten. Um von den Bewegungen des Prinzen von Lothringen besser unterrichtet zu
1 Graf Peter Tschernyschew.