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Mein Herr Bruder!

Auf meinen Brief vom 15. November hin mußte ich auf wirklichen Beistand von Ew. Majestät rechnen. Ich will hier nicht untersuchen, aus welchen Gründen Sie Ihre Verbündeten den Launen des Schicksals preisgeben. Für diesmal hat mich allein die Tapferkeit meiner Truppen aus meiner schlimmen Lage befreit. Hätten mich meine Feinde durch ihre Zahl überwältigt, so hätten Ew. Majestät mich zwar beklagt, ich aber wäre verloren gewesen. Wie kann ein Bündnis Bestand haben, wenn beide Teile nicht mit gleichem Eifer zu ihrer gegenseitigen Erhaltung beitragen? Ew. Majestät sagen mir, ich sollte mir selbst raten. Ich tue es, da Sie es für gut finden. Die Vernunft gebietet mir die rasche Beendigung eines Krieges, der gegenstandslos geworden ist, seit die österreichischen Truppen nicht mehr im Elsaß stehen und der Kaiser gestorben ist. Die Schlachten, die man noch liefern würde, wären nur unnützes Blutvergießen. Die Vernunft rät mir, an meine eigene Sicherheit zu denken. Sie sagt mir, daß die großen Rüstungen der Russen meinen Staat von Kurland her bedrohen, daß die Armee des Herrn von Traun, die am Rhein steht, leicht nach Sachsen marschieren könnte, daß das Glück unbeständig ist, und daß ich in meiner Lage von keinem meiner Verbündeten Hilfe erwarten kann. Die Österreicher und Sachsen haben Bevollmächtigte zu Friedensverhandlungen hergesandt. Ich weiß mir also keinen andern Rat, als den Frieden zu unterzeichnen. Nach Erfüllung dieser meiner Pflicht gegen meinen Staat und mein Haus wird mir nichts mehr am Herzen liegen, als den Interessen Ew. Majestät nützen zu können. Möchte ich doch das Glück haben, zum Werkzeug eines allgemeinen Friedens zu werden! Ew. Majestät können Ihre Pläne Keinem anvertrauen, der Ihnen ergebener ist als ich, und der eifriger an der Wiederherstellung der Eintracht und des guten Einvernehmens unter den Mächten arbeitet, die dieser lange Zwist miteinander verfeindet hat. Ich bitte Sie, mir stets Ihre schätzbare Freundschaft zu bewahren. Gestatten Sie die Versicherung usw.

Das hieß sich mit Anstand trennen und so triftige Gründe ins Feld führen, daß die Franzosen dagegen nichts einwenden konnten.

Indessen standen die Österreicher und Sachsen noch in der Gegend von Pirna. Man mußte sie weiter vertreiben, um mit größerer Ruhe über den Frieden verhandeln zu können. Deshalb wurde Oberst Retzow mit 5 Bataillonen und Kavallerie nach Freiberg detachiert. Die Besorgnis, die sein Erscheinen erregte, beschleunigte den Rückzug der Verbündeten nach Böhmen. Die sächsische Armee war kaum 15 000 Mann stark. Der König von Polen war seiner Einkünfte beraubt und hatte kein Geld mehr zur Bezahlung des Soldes. Bis zum Frühjahr und zum Aufbruch der Russen konnte er nicht warten. Er sah die Wertlosigkeit dieser Hilfe wohl ein. Kurz, seine augenblickliche Bedrängnis zwang ihn, in den Frieden zu willigen.