<272> und all die großen Ereignisse zu schildern, die in unseren Tagen die große Bühne des europäischen Theaters geziert haben, glaubte ich, daß es mir als Zeitgenossen und Mitwirkendem zukäme, meinen Nachfolgern von den Umwälzungen Rechenschaft zu geben, die ich auf der Welt sich vollziehen sah und an denen ich einigen Anteil hatte. Dir, künftiges Geschlecht, widme ich dieses Werk! Nur mit leichten Strichen will ich in ihm das skizzieren, was die fremden Mächte betrifft, und mich um so ausführlicher mit dem beschäftigen, was Preußen angeht, da es sich unmittelbar auf mein Haus bezieht, das die Eroberung Schlesiens als die Epoche seiner Erhöhung betrachten kann.
Dieses Stück Geschichte, das ich schreiben will, ist um so schöner, als es voller Ereignisse ist, die den Stempel der Größe und Eigenart tragen. Ja, ich wage zu behaupten: seit dem Untergange des römischen Reiches verdient keine Geschichtsepoche so viel Beachtung wie die des Todes Kaiser Karls VI., des letzten Habsburgers im Mannesstamm, die jene berühmte Liga oder vielmehr jene Verschwörung so vieler Könige zum Sturze des Hauses Habsburg hervorrief.
Ich werde nichts ohne Beweise behaupten. Die Archive sind meine Gewähr. Die Berichte meiner Minister, die Briefe von Königen, Herrschern und die einiger großer Männer an mich sind meine Beweise. Hin und wieder stütze ich mich auf das einstimmige Zeugnis verschiedener zuverlässiger Leute; anders läßt die Wahrheit sich nicht ermitteln. Die Darstellung meiner Feldzüge wird nur eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse sein; aber ich werde den unsterblichen Ruhm, den viele Offiziere sich erworben haben, nicht verschweigen: ihnen widme ich diesen schwachen Versuch als ein Denkmal meiner Dankbarkeit. Die gleiche Kürze nehme ich mir für das politische Gebiet vor; doch werde ich die Züge, die den Geist des Zeitalters und der verschiedenen Völker kennzeichnen, sorgfältig wahren. Ich werde Gegenwart und Vergangenheit miteinander vergleichen, denn nur durch Vergleichung bildet sich das Urteil. Ich werde mir herausnehmen, Europa unter allgemeinen Gesichtspunkten zu betrachten und alle seine Staaten und Mächte am geistigen Auge vorüberziehen zu lassen. Hin und wieder werde ich auch auf kleine Einzelheiten eingehen, aus denen die größten Dinge entstanden sind.
Da ich nur für die Nachwelt schreibe, so werde ich mich durch keine Rücksicht auf das Publikum, durch keine Schonung behindern lassen. Ich werde ganz laut aussprechen, was viele nur im stillen denken, werde die Fürsten so schildern, wie sie sind, ohne Vorurteile gegen meine Feinde und ohne Parteilichkeit für meine Verbündeten. Von mir werde ich nur da reden, wo es unvermeidlich ist. Nicht jeder Hochstehende verdient die Beachtung künftiger Zeiten. Solange ein König lebt, ist er der Abgott seines Hofes; die Großen beweihräuchern ihn, die Dichter besingen ihn; das Publikum fürchtet ihn oder liebt ihn nur mäßig. Ist er tot, so kommt die Wahrheit zutage, und oft rächt sich die Scheelsucht dann allzu streng an den seichten Schmeicheleien, mit denen man ihn bei Lebzeiten umgab.