<58> es nie zugelassen, seine Heere andern Händen als den seinen anzuvertrauen. Unter solchen Umständen war seine Regierung glücklich und friedlich gewesen.
Wäre die Meinung, die man von dem König hatte, nur ein Rechenfehler gewesen, die Welt wäre von ihrem Irrtum früher oder später bekehrt worden. Aber die Fürsten urteilten so ungünstig über seinen Charakter, daß seine Verbündeten auf ihn nicht mehr Rücksicht nahmen als seine Feinde. Ein Beweis dafür ist folgendes. Der Wiener und der russische Hof kamen mit dem verstorbenen König überein (1732), einen Prinzen von Portugal auf den polnischen Thron zu setzen. Plötzlich ließen sie das Projekt fallen und erklärten sich für den Kurfürsten August von Sachsen, hielten es aber für unter ihrer Würde, den König auch nur davon zu benachrichtigen. Kaiser Karl VI. hatte unter gewissen Bedingungen ein Hilfskorps von 10 000 Mann erhalten, das der verstorbene König im Jahre 1734 an den Rhein gegen die Franzosen sandte. Aber der Kaiser setzte sich selbst über seine ärmlichen Verpflichtungen hinweg. König Georg II. von England nannte den König „seinen Bruder Korporal“, hieß ihn den „König der Landstraßen und des römischen Reiches Erzsand streuer“. Das ganze Benehmen Georgs trug das Gepräge tiefster Verachtung. Die preußischen Offiziere, die auf Grund der Vorrechte der Kurfürsten in den Reichsstädten Soldaten anwarben, waren tausend Beschimpfungen ausgesetzt. Man nahm sie gefangen, schleppte sie in die Kerker zu den schlimmsten Verbrechern. Kurz, diese Übergriffe steigerten sich ins Unerträgliche. Ein armseliger Bischof von Lüttich suchte seine Ehre darin, den König zu kränken. Einige Untertanen der Herrschaft Herstall, die zu Preußen gehört, hatten sich aufgelehnt. Der Bischof nahm sie in Schutz1. Der König sandte den Obersten Kreytzen mit Vollmacht und Beglaubigungsschreiben nach Lüttich, um die Sache beizulegen. Aber der Herr Bischof dachte gar nicht daran, ihn zu empfangen. Drei Tage hintereinander sah er den Gesandten in den Hof seines Palastes kommen, und jedesmal versagte er ihm den Eintritt.
Dieses Geschehnis und noch viele andre, die ich der Kürze halber übergehe, zeigten dem König, daß ein Fürst sich selbst und vor allem seinem Volke Respekt verschaffen muß, daß die Mäßigung eine Tugend ist, die Staatsmänner in dieser verderbten Zeit nicht immer streng ausüben können, und daß es beim Thronwechsel nötiger war, Beweise von Entschlossenheit als von Sanftmut zu geben.
Um nun alles zusammenzufassen, was das Feuer eines jungen, eben auf den Thron gelangten Fürsten anfachen konnte, so sei noch hinzugefügt, daß Friedrich I., als er Preußen zum Königreich erhob, durch diese eitle Größe einen Keim des Ehrgeizes in seine Nachkommen legte, der früher oder später Früchte tragen mußte. Die Monarchie, die er seinen Nachkommen hinterließ, hatte, wenn ich mich so ausdrücken darf, etwas von einem Zwitterwesen an sich; sie glich mehr einem Kurfürstentum als
1 Georg Ludwig von Berghes, Bischof von Lüttich, beanspruchte die Lehnshoheit über die Grafschaft Herstall, die zur oranischen Erbschaft gehörte und 1732 in preußischen Besitz gelangt war; er unterstützte den Widerstand der Einwohner gegen Preußen.